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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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hatte, fiel Leonardo ein, dass er sich kaum einen Steinwurf vom Haus seines Vaters entfernt befand. Einen Augenblick lang erwog er, zu ihm zu gehen. Doch er verdrängte diese Anwandlung so schnell, wie sie gekommen war. Sie hatten sich nichts mehr zu sagen. Ser Piero hatte vor einigen Jahren zum dritten Mal geheiratet und von dieser Frau endlich den ersehnten ehelichen Sohn bekommen. Das hatte er Leonardo gegenüber deutlich unterstrichen und ihm damit auch gleich klargemacht, dass er in puncto Erbe nichts mehr zu erwarten hatte. Das Erbe war Leonardo ziemlich gleichgültig, obwohl es mit der Zeit durchaus ansehnlich ausfallen konnte. Was ihm aber nach wie vor zu schaffen machte, war das Gefühl, gleichsam inexistent zu sein. Von seiner Mutter weggegeben, von seinem Vater abgelegt…
    Er schlug sein Skizzenbuch zu und ging nach Hause.

11

    An die Steinbrüstung gelehnt, mit der das Flachdach eingefasst war, starrte Leonardo auf den Rücken Paolos, der in gebückter Haltung arbeitete. Der junge Mann legte mit der ihm eigenen Präzision letzte Hand an die eigentümliche Konstruktion aus Weidenholz und Linnen, die sie zusammengebastelt hatten.
    Nur gut, dass keiner uns hier sehen kann, dachte Leonardo. Unbedarfte würden die Arbeit für abstrus und suspekt oder womöglich gar für Teufelswerk halten. Da es rundum noch andere hohe Gebäude gab, hatte Leonardo einen Sichtschutz aus Sackleinen gespannt, damit man sie nicht beobachten konnte. Er war nicht darauf erpicht, für verrückt erklärt zu werden. Oder, schlimmer noch, für besessen.
    Die Begeisterung, mit der er den Bau seines Segelgefährts in Angriff genommen hatte, war mit der Zeit geschwunden. Er spürte irgendwie, dass einiges an seinem Entwurf noch nicht stimmte. Und jetzt, da das Ganze so gut wie fertig war, erkannte er es gleichsam als das, was es wirklich war: eine Art Ruderboot mit beängstigend breiten Flügeln und weit gespreiztem Schwanz.
    »Zu schwer…«, murmelte er. Er lief zur Vorderseite des Gefährts und hob es an. Es ließ sich kaum bewegen. »Viel zu schwer… Und es hat nichts, womit man es auf Kurs halten könnte. Vögel lenken ihren Flug mit dem Schwanz und mit ihren Flügeln, aber was macht man, wenn sich dieser Schwanz und diese Flügel nicht bewegen lassen? Wenn das Ding nicht schon gleich aufgrund seines Gewichts abstürzt, wird es geradewegs am nächsten Haus zerschellen.«
    Paolo richtete sich auf, in der einen Hand einen Holznapf mit Leim, in der anderen einen Streifen Linnen. »Und das sagst du jetzt?«
    »Es ist einfach nur Stückwerk«, erwiderte Leonardo mürrisch. »Hast du dir einen Vogel in der Luft schon einmal richtig angesehen? Diese Grazie, diese exquisite Koordination aller Bewegungen… Wie hoffärtig muss man sein, um überhaupt auf den Gedanken zu kommen, man könnte so etwas Wunderbares nachbauen?«
    »Du bist der Meister«, entgegnete Paolo, der sich an die Launen Leonardos gewöhnt hatte. »Was ich denke, tut ja ohnehin nicht viel zur Sache.« Er versuchte zu scherzen: »Wenn ich denn schon mal denke.«
    Leonardo hörte nicht zu. »Gehen wir nicht ganz falsch an die Sache heran? Einen Wagen versuchen wir doch auch nicht auf Beinen laufen zu lassen. Dafür haben wir uns Räder ausgedacht. Räder, mit denen wir schwere Lasten schneller und bequemer fortbewegen können. Ließe sich nicht eine vergleichbare Lösung erdenken, wie wir uns durch die Luft bewegen? Etwas, was die Flügel ersetzt, eine Art Lufträder?«
    Paolo antwortete nicht. Er wusste, dass keine Antwort von ihm erwartet wurde.
    »Um uns über das Wasser bewegen zu können, haben wir Boote erfunden. Ein Boot hat doch auch keine Ähnlichkeit mit einem Fisch mit Schwanz und Flossen, oder?«
    »Boote fahren ja auch nicht unter Wasser«, wandte Paolo vorsichtig ein.
    »Aber sie könnten es, wenn wir sie teilweise mit Wasser füllten. Das müsste dann abgepumpt werden, damit sie wieder an die Oberfläche zurückgelangen. Und wenn wir uns eine andere Art des Antriebs ausdenken würden als das Segeln oder das Rudern, hydraulisch zum Beispiel…«
    Leonardo war neuerdings besessen von allem, was mit Wassertechnik zu tun hatte. Sein ohnehin erfindungsreicher Geist wurde noch von einigen Wissenschaftlern angeregt, mit denen Ginevra de’ Benci ihn in Kontakt gebracht hatte. Einer von ihnen war Giovanni Argiropulo, ein byzantinischer Aristoteliker, der sämtliche Schriften seines großen Vorbilds ins Lateinische übersetzt hatte. Sogar Lorenzo il Magnifico besuchte

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