Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci
an die Staffelei und strich mit den Fingerspitzen über die Tafel, als wolle er deren Glätte prüfen. Er schaute Cecilia an.
Sie war ausnehmend schön in dem schräg hereinfallenden Licht. Wenn es ihm gelang, ihre königliche Ausstrahlung mit diesem Licht abzubilden, würde er vielleicht auch endlich die Felsgrottenszene mit der Magie wiedergeben können, die ihm vorschwebte.
Cecilia entspannte sich. Sie legte den Kopf an die hohe Rückenlehne des Stuhls und kraulte das Hermelin hinter den Ohren, während ihr Blick zum Garten hinter der Werkstatt hinauswanderte.
Genau der Ausdruck und die Pose, die Leonardo haben wollte. Er entschied sich, nicht erst einen Karton anzufertigen. Der Drang, Cecilias Bildnis direkt mit Farbe auf die Tafel zu bannen, war zu groß. Er war in der richtigen Stimmung dafür. Er würde einen einfachen schwarzen Hintergrund wählen, teils, um Zeit zu sparen, teils, damit Cecilias Antlitz gleichsam das Licht auf sich ziehen würde, wenn er es richtig anstellte.
Er hatte inzwischen die Vielseitigkeit der aus den Niederlanden übernommenen Ölfarbe entdeckt. Ölfarbe ließ sich in dünnen, glatten Schichten übereinander anbringen, wodurch völlig neue Effekte und Nuancierungen zu erzielen waren. Er hatte auch verschiedene Sorten Öl ausprobiert, war aber schließlich doch wieder zum Leinöl zurückgekehrt, das auch in den Niederlanden überwiegend benutzt wurde. Leinölfarbe härtete nach der Trocknung besonders gut aus, hatte aber den Nachteil, dass sie beim Trocknen leicht vergilbte, was gerade bei weißen oder hellen Partien ärgerlich war. Um dem vorzubeugen, rührte er die ganz hellen Farben mit Sonnenblumenöl an.
Leonardo blendete die Welt aus und begann mit Leidenschaft zu malen.
Das Porträt von Cecilia Gallerani war für Leonardos Verhältnisse ausgesprochen zügig vollendet.
»Wirklich phänomenal«, befand Evangelista de Predis, der zuschaute, wie Leonardo Firnis auf die Tafel auftrug. »Diese Ölfarbe ist ja erstaunlich schnell getrocknet.« Er wollte noch etwas sagen, wurde aber durch einen bellenden Husten daran gehindert.
Leonardo sah ihn besorgt an. »Geht es? Ambrogio hatte ja auch so einen schlimmen Husten. Aber zum Glück scheint er sich bei ihm wieder gelegt zu haben.« Als Evangelista missmutig nickte, kam er auf die Farbe zurück: »Ich habe der Tempera schon vor geraumer Zeit abgeschworen. Ein Huhn legt keine Eier, damit man Farben daraus anrührt.«
»War das wirklich der Grund?«
»Nein, das habe ich mir gerade ausgedacht.«
»Ambrogio hatte recht, das ist ein außergewöhnliches Porträt!« Evangelista hielt nicht mit seiner Bewunderung hinter dem Berg und versuchte auch nicht, einen leichten Neid zu verbergen. »Hat dir eigentlich schon einmal jemand gesagt, dass du ein großer Künstler bist?«
»Mein Spiegelbild.«
»Wie du den Teint hinbekommen hast! Als hättest du ein Zauberpuder aufgetupft und nicht mit Farbe gemalt.« Evangelista schaute auf Leonardos Hand: nicht das geringste Zittern, obwohl er den Arm nicht abstützte. Er seufzte. »Hat Madonna Cecilia das Porträt schon gesehen, seit es fertig ist?«
»Aber natürlich.«
»Und?«
»Sie nimmt an, es sei Ausdruck meiner Liebe zu ihr.«
»So? Trifft das denn zu?«
»Ich liebe alles, was wahrhaft schön ist, sei es nun eine Blume oder ein Schmetterling oder eine Wolke oder ein Felsen. Schönheit findet sich überall, wenn man die Augen aufmacht. Genauso wie Hässlichkeit übrigens, aber die braucht man nicht zu suchen, die drängt sich von selbst auf, notfalls mit Gewalt.«
»Jetzt wird sie wohl bald ihren Platz räumen müssen«, sagte Evangelista mit ernstem Blick auf Cecilias Porträt. »Wo Il Moro Beatrice d’Este zu heiraten gedenkt. Was hat es eigentlich mit dem Tierchen auf sich, das sie immer und überall bei sich trägt? Eine Art Ersatzkind?«
Leonardo schüttelte den Kopf. »Das Hermelin hat ihr Il Moro geschenkt. Es ist sein Wappentier.«
»Würdest du Beatrice mit der gleichen Hingabe malen, wenn er dich darum bitten würde?«
»Das weiß ich nicht, ich habe sie noch nicht gesehen.«
Mit leichter Verwunderung besah sich Ludovico Sforza die Zeichnungen, die Leonardo ihm vorgelegt hatte. »Eine ganze Stadt? Wie kommst du denn darauf?«
»Ich glaube, dass großer Bedarf an einer idealeren Stadt besteht, Exzellenz. Einer Stadt, in der es sich angenehmer und gesünder leben ließe.«
»Und was soll das kosten?«
Leonardo überhörte den sarkastischen Ton Sforzas. »Ich habe
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