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Der Maler Gottes

Der Maler Gottes

Titel: Der Maler Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Grünberg aus dem Mund seines Vaters in Harnisch gebracht hat: »Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.«
    Matthias antwortet nicht, doch er begegnet Holbeins nachdenklichem Blick offen und selbstbewusst. »Steck deine Ziele nicht zu hoch, Matthias, noch bist du nicht so weit«, sagt der Meister schließlich. »Ziele kann man sich nicht hoch genug stecken«, erwidert Matthias überzeugt. »Nur hohe Ziele spornen zu hohen Leistungen an.«
    Holbein lacht. »Kluge Worte, doch du willst schon jetzt Grenzen überspringen.«
    »Ja, Ihr habt Recht«, gibt Matthias zu, lächelt ehrerbietig und fügt dann einen Satz des vorsichtigen Widerspruchs an. »Ich möchte Grenzen überspringen, die andere geschaffen haben. Neues will ich schaffen, nie da Gewesenes.«
    Holbein sieht ihn sehr ernst an und nickt dann bedächtig. »Du kannst es schaffen zur rechten Zeit, Matthias.«
    Ein Jahr nachdem Matthias zum ersten Mal die Werkstätten betreten hat, darf er endlich einen Pinsel in die Hand nehmen. Die Arbeiten am Altar sind nun so weit fortgeschritten, dass mit der Bemalung des Mittelteils und der Flügel begonnen werden kann.
    Die Werkstattbänke sind übersät von Einzelstudien. Holbein hat während der langen Monate der Tischler-und Schnitzarbeiten verschiedene Details des Altars wie Figuren, Köpfe und Gewandfalten nach einem Naturvorbild gezeichnet, um diese Studien in den Altar einfließen zu lassen.
    Jetzt stehen die Gesellen und Gehilfen und bestaunen, wie der Meister die Komposition des Altars direkt auf den Bildtafeln entwirft. In strengen Linien legt er die Raumaufteilung und die Anordnung der einzelnen Figuren fest, markiert Fluchtpunkte, lässt langsam das Gerüst der Bildergeschichte entstehen. Menschen aller Couleur säumen als dichte Masse den Leidensweg Jesu, zusammengedrängt stellt sich auf schmaler Raumbühne das Geschehen der Passion dar. Und schon die Komposition vermittelt einen Eindruck von der drastisch geballten Erregung des Geschehens.
    Dann teilt Holbein den Gesellen einzelne Abschnitte zur Bemalung zu.
    Ratgeb selbst arbeitet Seite an Seite mit dem Meister am Mittelteil und weist Matthias an, bestimmte Flächen farbig auszumalen. Mit Sorgfalt und großer Konzentration malt er die Flächen. Immer und immer wieder fährt er mit dem Marderhaarpinsel über die Palette, tupft vorsichtig Farbe auf, verstreicht sie mit solch großer Behutsamkeit, als würde er eine Frau streicheln. Matthias arbeitet am Hintergrund und muss dabei sehr auf die traditionsgebundene Lichtführung achten, welche die Figuren vorn im hellsten Licht zeigt, das im Hintergrund schwächer wird und schließlich im schwarzen Raum verdämmert.
    Er ist stolz. Stolz und glücklich, an einem Altar von Hans Holbein mitarbeiten zu dürfen, doch es ist nicht die Erfüllung, von der er geträumt hat. Es stört ihn nicht, dass er zumeist damit beschäftigt ist, schwarze Farbe in den verschiedensten Schattierungen auf dem hinteren Bildrand zu verteilen. Es ist etwas anderes, das ihn stört. »Na, wie gefällt dir der Altar?«, fragt Ratgeb eines Abends und wischt sich die farbverschmierten Hände am Kittel ab.
    »Er ist gewaltig, beeindruckend, die Farben sind prächtig«, erwidert Matthias und lässt die Blicke über die schon fertigen Figuren schweifen.
    »Ja, Hans Holbein ist ein großer Meister. Der größte, für den ich je gearbeitet habe«, sagt Ratgeb nicht ohne Stolz. Matthias sieht zu Ratgeb, sieht die Zufriedenheit in seinem Gesicht, er zaudert, doch dann spricht er kaum hörbar aus, was er denkt: »Aber er ist nicht groß genug, nicht gut genug.«
    Ratgeb fährt auf wie vom Blitz getroffen und sieht seinen Gehilfen entrüstet an. »Was sagst du da?« Fast stottert er, als er weiterspricht: »Das… das hat noch keiner gewagt! Woher nimmst du Grünschnabel die Überheblichkeit, die Hoffart, das Werk Holbeins zu bemängeln, der im besten Mannesalter schon weit Größeres geschaffen hat, als du je erreichen wirst?« Überheblichkeit, Hochmut, diese Worte hört der Zwanzigjährige nicht zum ersten Mal. Matthias weiß, dass es nicht der Hochmut ist, der seine Rede führt. Doch wie soll er es Ratgeb erklären?
    Beschwichtigend, demütig fast, legt er ihm seine Hand auf den Arm, deutet mit der anderen auf einzelne Figuren des Altars.
    »Seht, Ratgeb, die Gesichter. In einigen ahnt man, was sie fühlen. Ich erkenne Grimm und Hohn, Hass und Bosheit, doch all das ist nur angedeutet. Die Bosheit ist vorhanden, aber sie ängstigt nicht, der Wut

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