Der Maler und die Lady (German Edition)
dem Rechten schaute und keine wasserspeienden Ungeheuer herumstanden. Neugierig und entschlossen erhob er sich schließlich, um sich den Anforderungen des Tages zu stellen.
Nach dem Gespräch, dessen unfreiwilliger Zeuge er in der Nacht geworden war, rechnete er sich aus, dass er von Lara kaum etwaserfahren würde. Sie wusste wahrscheinlich noch weniger über den Rembrandt als er. Zudem war Anatole sich darüber im Klaren, dass Fairchild kein Sterbenswörtchen verlauten lassen würde, wie sehr er auch löchern und nachhaken mochte. Fairchild mochte noch so unschuldig und harmlos aussehen, er war ein ausgemachtes Schlitzohr und als Gegner nicht zu unterschätzen, wenn man bedachte, wie rigoros er mit Hiller umgesprungen war.
Die beste Vorgehensweise für ihn waren immer noch die nächtlichen Streifzüge im Schutze der Geheimgänge. Die Tage würde er mit Malen zubringen, um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren.
Eigentlich habe ich in diesem Haus doch gar nichts verloren, überlegte Anatole, während der kalte Strahl der Dusche auf ihn herunterprasselte. Hätte McIntyre ihn nicht mit dem Rembrandt genervt, wäre er heute nicht hier. Dies ist der allerletzte Auftrag, schwor Anatole sich und frottierte sich trocken.
Wenn der Fairchild-Zirkus vorbei war, sollte die Malerei nicht nur Vorrang bei geschäftlichen Unternehmungen haben, nein, sie würde überhaupt das Geschäft schlechthin für ihn sein.
Angekleidet und zufrieden, dass seine Zweitkarriere in wenigen Wochen beendet sein würde, durchquerte Anatole den Flur und dachte genüsslich an eine Tasse Kaffee. Laras Tür stand weit offen. Er ging vorbei und warf einen Blick hinein. Stirnrunzelnd blieb er stehen, ging einige Schritte zurück und blieb im Türrahmen stehen.
„Guten Morgen, Anatole. Ist das nicht ein herrlicher Tag?“ Lara lächelte ihm vom Boden zu, denn sie stand auf dem Kopf.
Ganz bewusst blickte Anatole zum Fenster hinaus, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht geirrt hatte. „Es regnet.“
„Magst du keinen Regen? Ich schon.“ Sie rieb sich mit dem Handrücken die Nase. „Du musst das so sehen: an vielen anderen Orten scheint jetzt die Sonne. Es ist alles relativ. Hast du gut geschlafen?“
„Ja.“ Selbst in dieser Position strahlte Laras Gesicht und zeigte keinerlei Anzeichen einer schlaflosen Nacht.
„Komm herein und warte einen Moment auf mich. Ich gehe mit dir zum Frühstück.“
Anatole trat ein und blieb direkt vor Lara stehen. „Warum machst du denn Kopfstand?“
„Das ist eine Philosophie von mir.“ Sie schlug die Beine an derWand übereinander. Wie eine dunkle Lache verteilte sich ihr Haar auf dem Teppich. „Könntest du dich wohl einen Moment hinsetzen? Es fällt mir schwer, mit dir zu reden, wenn dein Kopf so weit da oben ist und meiner hier unten.“
Anatole wusste, er würde es bereuen, trotzdem ging er in die Hocke. Laras Pullover war hochgerutscht und gab einen schmalen Streifen ihres Oberkörpers frei.
„Danke. Das also ist meine Theorie: die ganze Nacht über liege ich in der Horizontalen, und die meiste Zeit des Tages stehe ich aufrecht. Also …“ Irgendwie schaffte Lara selbst in dieser Position ein Schulterzucken. „… mache ich morgens und abends Kopfstand. Auf diese Weise wird alles besser durchblutet.“
Mit Daumen und Zeigefinger rieb Anatole sich die Nase. „Aha, ich verstehe. Das macht mir Angst.“
„Du solltest es versuchen.“
„Nein danke, dann soll mein Blut eben langsamer fließen.“
„Wie du meinst. Geh mal zur Seite, ich stelle mich jetzt hin.“
Mit Schwung sprang sie auf die Füße und richtete sich auf. Ihre sportliche Elastizität überraschte ihn. Lächelnd sah sie ihn an, warf den Kopf zurück und strich sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Dein Gesicht ist ganz rot“, sagte er leise und mehr zu sich selbst.
„Da kann man nichts machen, das gehört zur Therapie.“ Stundenlang hatte sie in der Nacht gegrübelt und gegen Morgen beschlossen, den Dingen ihren Lauf zu lassen. „Das ist die einzige Gelegenheit, bei der ich noch rot werde“, erklärte sie ihm. „Wenn du also etwas Schockierendes … oder Schmeichelhaftes sagen …?“
Entgegen besserem Wissen berührte er sie und legte die Hände um ihre schmale Taille. Sie trat weder zurück, noch machte sie einen Schritt nach vorn. Sie wartete einfach ab. „Die Röte in deinem Gesicht verflüchtigt sich bereits. Ich habe also meine Chance verpasst.“
„Du kannst es ja morgen noch einmal versuchen.
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