Der Maler und die Lady (German Edition)
Bist du hungrig?“
„Ja.“ Ihr Mund machte ihn hungrig. Aber im Moment wagte er nicht, die eigene Standhaftigkeit auf die Probe zu stellen. „Nach dem Frühstück will ich mir mal deine Garderobe ansehen.“
„Oh, tatsächlich?“, fragte sie gedehnt. Frivol lugte ihre Zungenspitze zwischen den Zähnen hervor.
Anatole zog eine Augenbraue in die Höhe, aber nur Lara bemerkte es. „Wegen des Bildes.“
„Du willst mich gar nicht als Akt malen?“ Der amüsierte Blick wich einem gelangweilten Ausdruck. „Das ist ja etwas Alltägliches.“
„Ich verschwende meine Zeit nicht mit Alltäglichkeiten.“ Anatole betrachtete Lara aufmerksam, die kühlen grauen Augen, die so warm leuchteten, wenn sie lachte, und den hochmütigen Mund, dessen Lächeln allein Aufforderung und Versprechen zugleich bedeutete. „Ich werde dich malen, weil man dich einfach malen muss. Und aus eben diesem Grunde werde ich mit dir schlafen.“
Lara verzog keine Miene, aber ihr Puls schlug schneller. Sie war nicht so dumm, sich einzureden, Anatoles Bemerkung hätte sie verärgert. Ärger und Erregung waren zwei Paar Stiefel. „Wie entschieden und arrogant du doch sein kannst“, sagte sie und sprach jedes Wort sehr langsam aus. Sie ging zur Frisierkommode hinüber und bürstete sich rasch die Haare. „Bis jetzt, Anatole, habe ich weder zugestimmt, für dich Modell zu sitzen, noch mit dir zu schlafen.“ Sie strich sich ein letztes Mal mit der Bürste durch das Haar. „Tatsächlich bezweifle ich beides sehr. Wollen wir hinuntergehen?“
Ehe sie die Tür erreichte, hatte er sie gepackt. Nicht seine Kraft überraschte sie, sondern die Geschwindigkeit seiner Reaktion. Sie hatte gehofft, ihn aus der Reserve zu locken, aber als sie den Kopf in den Nacken warf und ihn ansah, konnte sie keinerlei Gereiztheit in seinem Gesicht entdecken. Vielmehr spiegelte es kühle, geduldige Zielstrebigkeit wider. Nichts hätte sie mehr aus der Fassung bringen können.
Dann zog Anatole sie an sich. Sein Gesicht verschwamm vor ihren Augen, und nur noch sein Mund existierte. Lara wehrte sich nicht. Sie wehrte sich selten gegen etwas, das sie selbst wollte. Statt dessen gab sie sich dem Verlangen hin, das sich wie ein langsamer, beständiger Strom durch ihr Inneres wälzte und sowohl beängstigend als auch beruhigend wirkte.
Sehnsucht. So stellte sie sich dieses Gefühl vor, wenn ihr der richtige Mann begegnete. Seit sie sich ihrer Weiblichkeit bewusst geworden war, hatte sie darauf gewartet. Nun also war dieses sehnsuchtsvolle Verlangen tatsächlich da, und Lara gab sich ihm ohne irgendwelche Einschränkungen hin.
Anatoles Herz schlug durchaus nicht so gleichmäßig, wie es sollte, und auch sein Verstand war keineswegs so klar, wie es normalerweise der Fall war. Wie konnte er Lara gegenüber die Oberhand behalten, wenn er in ihrer Gegenwart ständig an Boden verlor? Wie viel mehr würde er verlieren, wenn er erst sein Versprechen … oder etwa seine Drohung?… wahr machte und sie miteinander schliefen? Und was würde er gewinnen? Er konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, zu sehr war er von Laras Nähe erfüllt. Es lohnte sich, das Risiko auf sich zu nehmen.
„Du wirst mir Modell sitzen“, sagte er nahe an ihrem Mund. „Und du wirst mich lieben. Es gibt keine Alternative.“
Das Wort ließ sie aufhorchen. Diese Bemerkung forderte ihren Widerstand heraus. Sie hatte immer die Wahl gehabt. „Ich …“
„Es gibt keine Alternative … für keinen von uns“, setzte Anatole noch hinzu und gab Lara frei. „Nach dem Frühstück entscheiden wir über das Kleid.“
Anatole entzog beiden die Möglichkeit zur Fortsetzung des Gesprächs, indem er Lara aus dem Zimmer geleitete.
Eine Stunde später begleitete er Lara wieder nach oben.
Während der Mahlzeit war sie heiter und gelassen, aber Anatole ließ sich nicht täuschen. In Wirklichkeit schäumte sie vor Wut, und genauso wollte er sie. Sie mochte es durchaus nicht, wenn man sie, selbst in unwesentlichen Dingen, überlistete. Anatole hingegen bereitete es überwältigende Befriedigung, dass es ihm gelungen war. Der trotzige Ausdruck in ihren Augen war genau das, was er für das Porträt brauchte.
„Ich glaube, wir suchen etwas Rotes“, entschied er. „Das müsste dir am besten stehen.“
Lara wies auf den Kleiderschrank und ließ sich rückwärts auf das Bett fallen.
Anatole prüfte eingehend die vielfältige Garderobe. Schließlich fiel sein Blick auf ein leuchtendrotes Seidenkleid. Zweifellos
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