Der Maler und die Lady (German Edition)
war es teuer, aber es hatte nicht jenen letzten Chic, wie ihn eine Melanie Burgess entworfen hätte. Das schmal geschnittene Oberteil war trägerlos. Den Saum des weiten Rockes und des dazugehörenden Petticoats schmückten Volants in Weiß, Schwarz und Fuchsienrot. Eswar das Kleid einer reifen Zigeunerin und für Anatoles Zweck wie geschaffen.
„Das nehmen wir.“ Anatole trug das Kleid zum Bett und blieb vor Lara stehen. Unbeeindruckt starrte sie mit gerunzelter Stirn Löcher in die Zimmerdecke. „Zieh dich um, und komm dann ins Atelier. Ich will ein paar Skizzen machen.“
Ohne ihn anzusehen, sagte sie: „Ist dir schon einmal aufgefallen, dass du mich nicht ein einziges Mal gebeten hast, für dich Modell zu sitzen? Du hast mir erklärt, du wolltest und du würdest mich malen, aber du hast mich nie gefragt, ob du mich malen darfst.“ Obwohl Lara die Hände gefaltet hielt, begann sie rhythmisch mit einem Finger zu klopfen. „Mein Instinkt sagt mir, dass du grundsätzlich ein Gentleman bist, Anatole. Wäre es möglich, dass du lediglich vergessen hast, bitte zu sagen?“
„Ich habe es durchaus nicht vergessen.“ Er warf das Kleid über das Fußende des Bettes. „Aber ich bin davon überzeugt, dass die Männer dich viel zu oft bitten. Du gehörst zu den Frauen, die einen Mann mit einem einzigen Augenzwinkern auf die Knie zwingen. Ich habe für Kniefälle nicht allzu viel übrig.“ Er hielt in der Tat nicht viel vom Knien vor einer Frau, und in ihrer beider Interesse betrachtete er es für absolut unabdingbar, die Zügel in der Hand zu behalten. Anatole beugte sich vor und stützte die Hände zu beiden Seiten von Laras Kopf auf das Bett. Dann setzte er sich neben sie. „Und genau wie du bin ich es gewohnt, meinen Willen zu bekommen.“
Aufmerksam sah sie ihn an und dachte über den Sinn seiner Worte und ihre Lage nach. „Aber dir habe ich doch noch gar nicht zugezwinkert.“
„Wirklich nicht?“, fragte er leise.
Er atmete den betörenden, unbezähmbaren Duft ihres Parfüms ein, der zu Nächten in winterlicher Abgeschiedenheit passte. Unbewusst, allein geboren aus der Stimmung, hatte Lara schmollend die Lippen geschürzt. Die Versuchung war zu groß, er musste diesen Mund kosten. Er tat es so zart, wie er es beabsichtigt hatte. Es sollte nur eine leichte Berührung, die Andeutung eines Kusses sein, danach wollte er sich seiner Arbeit zuwenden. Aber Laras Mund schmolz unter seinen Lippen, sie gab sich hin, wie sie selbst es noch nicht getan hatte. Oder war er, Anatole, vielleicht erobert worden?
Verlangen flammte in ihm auf. Feuer war seine einzige gedankliche Assoziation. Flammen, Hitze, Rauch … das war Lara. Rauch und Verführung und die Verheißung unbeschreiblicher Wonnen.
Er hatte ihre Lippen gekostet, aber das genügte ihm nicht mehr, er musste sie berühren.
Ihr Körper war klein und so zierlich. Ein Mann konnte Furcht haben, ihn zu nehmen. Und Furcht empfand Anatole in der Tat, aber nicht mehr um sie. Er fürchtete für sich selbst. Lara mochte noch so klein und zart gebaut sein, sie konnte einen Mann in Stücke reißen. Davon war er überzeugt. Aber solange er sie berührte, solange er sie spürte, kümmerte es ihn nicht.
Niemals hatte er eine Frau mehr begehrt. Sie brachte es fertig, dass er sich wie ein Teenager auf dem Rücksitz eines Autos vorkam, wie ein Mann, der für eine Liebesnacht mit der besten Nutte in einem französischen Bordell bezahlte, wie ein Ehemann, der die wärmende Sicherheit der liebenden Gattin sucht. Laras vielschichtiger Charakter, ihr weicher, lebendiger Mund, die kräftigen, zupackenden Hände, waren erregender als Satin und Spitze und gedämpftes Licht. Anatole war sich nicht sicher, ob er all dem je wieder entrinnen konnte. Sie zu besitzen, würde einen endlosen Strom von Komplikationen, Kämpfen und Erregung mit sich bringen. Sie war wie eine Droge, wie ein Sprung von einer Klippe. Wenn er sich nicht vorsah, konnte es leicht geschehen, dass er eine Überdosis nahm oder an den Felsen zerschellte.
Es fiel ihm sehr viel schwerer, sich von Lara zu lösen, als er wahrhaben wollte. Sie lag mit halbgeschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen da. Er durfte sich nicht persönlich engagieren. Er musste den Rembrandt nehmen und verschwinden. Nur deshalb war er hergekommen.
„Anatole …“ flüsterte sie, als hätte sie seinen Namen noch nie zuvor ausgesprochen. Er hinterließ ein so herrliches Gefühl auf der Zunge. Lara hatte nur einen Gedanken: kein Mann
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