Der Maler und die Lady (German Edition)
Mutter oder Lara galt.
Nach fünfzehn Minuten Small Talk mit den unterschiedlichsten Leuten hatte er Lara aus den Augen verloren und langweilte sich zu Tode. Er fand sie im Gespräch mit Harriet.
„Ah, Anatole, da sind Sie ja. Ich habe Lara gerade eingeladen, mich auf meiner nächsten Reise in den australischen Busch zu begleiten. Sie können gern mitkommen. Und ich … ich muss schon sagen …“ Plötzlich war nichts mehr von dem warmen mütterlichen Ton in ihrer Stimme zu hören. „Einige Leute scheinen wohl überhaupt keinen Sinn für Manieren zu besitzen.“
Lara drehte nur leicht den Kopf und sah Stuart die Halle betreten. Unversehens krallten sich ihre Finger um das Glas, aber sie zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Ehe sich allgemeine Überraschung unter den Gästen ausbreiten konnte, war Melanie an ihrer Seite.
„Es tut mir leid, Lara, ich hatte gehofft, er würde nicht kommen.“
Mit einer betont langsamen, ja trotzigen Gebärde strich sich Lara das füllige dunkle Haar in den Nacken. „Ich wäre nicht gekommen, wenn es mir etwas ausmachen würde.“
„Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.“
Mit einem kurzen, sehr echt klingenden Auflachen schnitt Lara ihr das Wort ab. „Hast du mich je verlegen erlebt?“
„Also gut, ich muss ihn begrüßen, sonst wird es nur noch schlimmer.“ Offensichtlich hin und her gerissen zwischen Loyalität und gutem Benehmen, zögerte sie noch einen Moment.
„Ich werde ihm natürlich kündigen“, überlegte Harriet laut, als ihre Tochter gegangen war, um ihren Pflichten als Gastgeberin nachzukommen. „Aber dazu werde ich mir noch etwas einfallen lassen.“
„Wenn du willst, kannst du ihn entlassen, aber bitte nicht meinetwegen.“ Lara leerte das Champagnerglas.
„Der Kelch geht offenbar nicht an uns vorüber, Anatole.“ Mit einem korallenrot lackierten Fingernagel tippte Harriet an ihr Glas. „Sehr zum Leidwesen Melanies kommt Stuart jetzt auf uns zu.“
Ohne ein Wort zu sagen, nahm Lara Anatoles Zigarette.
„Harriet, du siehst phantastisch aus.“ Die geschmeidige, kultivierte Stimme erinnerte nicht im entferntesten an den Ton, den Anatole vor Fairchilds Studio miterlebt hatte. „Afrika scheint dir gut zu bekommen.“
Harriet blickte ihn kühl an. „Wir haben nicht damit gerechnet, dich heute Abend zu sehen.“
„Ich wurde aufgehalten.“ Charmant und höflich beflissen begrüßte er Lara. „Du siehst zauberhaft aus.“
„Du auch“, erwiderte sie gleichmütig. Unvermittelt wandte sie sich an Anatole. „Ich glaube, ihr kennt euch noch nicht. Anatole, darf ich vorstellen? Das ist Stuart Hiller. Du bist doch mit Anatole Haines’ Arbeiten vertraut, nicht wahr, Stuart?“
„Aber natürlich.“ Die Begrüßung der beiden Herren war korrekt und unbeteiligt. „Werden Sie sich etwas länger in diesem Teil New Yorks aufhalten?“
„So lange, bis ich Laras Porträt beendet habe“, erklärte ihm Anatole und handelte sich damit eine innere Befriedigung im doppelten Sinne ein: Lara grinste vielsagend, und Stuarts Stirn legte sich in Falten. „Harriet hat meine Zustimmung, es in der Galerie aufzuhängen.“
Mit diesem einfachen Schachzug hatte Anatole Harriet für sich eingenommen.
„Ich bin sicher, das Bild wird eine enorme Bereicherung für unsereSammlung sein.“ Selbst einem vollkommen unsensiblen Menschen hätte die starke Ablehnung nicht entgehen können. Im Moment entschloss sich Stuart, sie zu ignorieren. „Ich konnte dich in Afrika nicht erreichen, Harriet. Und seit du zurück bist, ging es hier recht hektisch zu. Ernest Myerling hat das weibliche Bildnis von Tizian gekauft.“
Anatole hob das Glas und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf Lara. Langsam, aber stetig wich die Farbe aus ihrem Gesicht, bis sie so weiß war wie ihr Seidenkleid.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, den Tizian zum Verkauf freigegeben zu haben“, entgegnete Harriet tonlos.
„Wie ich bereits sagte, ich konnte dich nicht erreichen. Da der Tizian nicht unter den Gemälden deiner persönlichen Kollektion aufgeführt ist, fällt er unter die verkäuflichen Bilder. Ich glaube, der Preis wird dir gefallen.“ Stuart zündete seine Zigarette mit einem schmalen silbernen Feuerzeug an. „Myerling hat darauf bestanden, es prüfen zu lassen. Leider ist er mehr an einer Investition als an Kunst interessiert. Ich nehme an, du wirst bei dem Verfahren morgen anwesend sein wollen.“
Allgütiger! Echte, elementare Panik ergriff Lara. Schweigend
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