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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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überzeugt hatten, daß die Firma mit ihrer Ablehnung eine Klage wegen geschlechtlicher Diskriminierung riskiere. Jetzt, drei Jahre später, war ihre Beziehung zu einem unbehaglichen Waffenstillstand geworden. Braxton behandelte sie im allgemeinen respektvoll und war aufrichtig bemüht, sie vor allen wichtigen Entscheidungen über Kurs und Zukunft der Kanzlei zu konsultieren. Er lud Elizabeth regelmäßig zu gesellschaftlichen Veranstaltungen ein und hatte sie letztes Jahr auf der Weihnachtsparty des Weißen Hauses als »einen unserer wirklichen Stars« bezeichnet, als er sie Stabschef Paul Vandenberg vorgestellt hatte.
    »Was wünscht Lord Braxton, Max?«
    Max lachte. Sie hätte ihm ihr Leben anvertraut. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Vor einem halben Jahr hatte Max ihr etwas erzählt, das sonst niemand wußte - er war HIV-positiv.
    »Seine Lordschaft wünscht deine Anwesenheit am Donnerstag bei einem Abendessen.«
    »Findet es im Herrenhaus statt?«
    »Nein, einer seiner hochvermögenden Mandanten lädt ein.
    Seiner Lordschaft Sekretärin hat anklingen lassen, deine Teilnahme sei freiwillig.«
    »Wer ist der Mandant?«
    »Mitchell Elliott.«
    »Mitchell Elliott von Alatron Defense Systems?«
    »Genau der.«

    »Wo findet das Essen statt?«
    »In Elliotts Haus in Kalorama. In der California Street, um es genau zu sagen. Hast du was zu schreiben da?«
    Elizabeth nahm Filzstift und Terminkalender aus ihrem Aktenkoffer und schrieb die Adresse auf, die Max ihr diktierte.
    »Uhrzeit?«
    »Neunzehn Uhr dreißig.«
    »Darf ich jemanden mitbringen?«
    »Ehepartner sind gestattet. Elizabeth, du kommst zu spät zu deinem Termin.«
    Sie sah auf die Uhr im Instrumentenbrett. »Oh, Scheiße! Sonst noch was?«
    »Nicht, was nicht bis morgen früh Zeit hätte.«
    »Wohin muß ich morgen?«
    »Chicago. Ich habe die Tickets in die Außentasche deines Aktenkoffers gesteckt.«
    Sie öffnete das Fach und sah die Umschläge zweier Tickets erster Klasse von American Airlines.
    »Ohne dich wäre ich verloren, Max.«
    »Ich weiß, Schätzchen.«
    »Du hast nichts von Michael gehört, stimmt's?«
    »Keinen Ton.«
    »Ich rufe dich morgen aus dem Flugzeug an.«
    »Wunderbar«, sagte Max, dann fügte er hinzu: »Alles Gute, Elizabeth. Ich bin in Gedanken bei dir.«
    Sie trennte die Verbindung und tippte die Kurzwahlnummer von Michaels Autotelefon ein. Das Telefon klingelte fünfmal, bevor eine Tonbandstimme ihr mitteilte, der Teilnehmer sei gegenwärtig nicht erreichbar. Elizabeth knallte den Hörer in seine Halterung. Sie blieb einen Augenblick still sitzen und horchte auf das Prasseln des Regens.

    »Michael Osbourne«, flüsterte sie, »wenn du nicht in den nächsten fünf Minuten auf diesem Parkplatz aufkreuzt, schwöre ich bei Gott, daß ich...«
    Sie wartete weitere fünf Minuten; dann zog sie mit mühsamen Verrenkungen ihren Regenmantel an und stieg aus. Sie spannte ihren Regenschirm auf und wollte über den Parkplatz gehen, aber ein Windstoß riß ihr den Schirm aus der Hand. Sie beobachtete einige Augenblicke lang, wie er sich überschlagend in Richtung Reservoir Road davonrollte. Irgend etwas daran veranlaßte sie, hilflos zu lachen. Sie hielt den Mantel am Hals dicht zu und hastete im Regen über den Parkplatz.
    »Der Doktor ist leider ein paar Minuten zu spät dran.«
    Die Rezeptionistin lächelte, als habe sie den ga nzen Tag noch nichts Interessanteres gesagt. Elizabeth ging ins Wartezimmer, zog ihren nassen Regenmantel aus und setzte sich. Sie war die letzte Patientin dieses Nachmittags und zum Glück hier allein.
    Sie hätte nicht die geringste Lust gehabt, jetzt mit einer anderen Frau zu reden, die das gleiche Problem hatte. Regen trommelte gegen das Fenster, das auf den Parkplatz hinausführte. Sie drehte sich um und sah hinaus. Der stürmische Wind fegte die Blätter von den Alleebäumen. Sie hielt nach Michaels Jaguar Ausschau, konnte ihn aber nirgends sehen.
    Sie griff in ihren Aktenkoffer, nahm eines der Handys heraus - sie hatte immer zwei bei sich, um zwei Gespräche gleichzeitig führen zu können - und tippte Michaels Nummer ein. Er meldete sich wieder nicht. Am liebsten hätte sie ihn im Dienst angerufen, aber wenn er noch in Langley war, würde er's ohnehin nicht mehr schaffen.
    Sie stand auf und ging langsam zwischen Tür und Fenster auf und ab. Bei solchen Gelegenheiten haßte Elizabeth Osbourne es, mit einem Spion verhe iratet zu sein. Michael haßte es, wenn sie ihn als Spion bezeichnete, und setzte ihr immer

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