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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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verlieren.«
    »Entschuldige, daß ich's dir nicht früher erzählt habe. Ich konnte nicht.«
    »Ist Michael Osbourne dein richtiger Name?«
    »Ja, das ist er.«
    »Du hast niemals jemanden umgebracht, nicht wahr?«
    »Nein, Leute bringen wir nur in Filmen um.«
    »Hast du jemals erlebt, wie jemand umgebracht worden ist?«
    »Ja.«
    »Kannst du darüber reden?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Du wirst mich nie belügen, nicht wahr, Michael?«
    »Ich werde dich nie belügen, aber es wird Dinge geben, die ich dir nicht erzählen darf. Kannst du damit leben?«
    »Das weiß ich noch nicht, aber versprichst du mir, mich nie zu belügen?«
    »Ich werde dich nie belügen.«
    Elizabeth küßte ihn. »Warum bist du Spion geworden?«
    »Wir nennen uns nicht Spione. Wir sind Führungsoffiziere.«
    »Na schön, warum bist du Führungsoffizier geworden?«
    Michael lachte sein ruhiges, beherrschtes Lachen. »Keine Ahnung.«

    Ihr Vater hielt sie für eine Närrin, weil sie einen CIA-Offizier heiraten wollte. Er hatte dem Geheimdienstausschuß des Senats angehört, und obwohl er Verallgemeinerungen aus Prinzip verabscheute, war er der Überzeugung, die Spione in Langley seien die größte Ansammlung von komischen Käuzen und Spinnern, die er je gesehen hatte. Bei Michael machte er eine Ausnahme. Nachdem die beiden Männer einen Tag auf der Gardiners Bay gesegelt hatten, war der Senator plötzlich sehr mit ihren Heiratsplänen einverstanden.
    Vieles an Michaels Arbeit war Elizabeth verhaßt: Die lange Arbeitszeit, die Dienstreisen an gefährliche Orte und die Tatsache, daß sie nicht wirklich wußte, was er den ganzen Tag lang machte. Sie wußte, daß die meisten Frauen eine Ehe wie ihre unerträglich gefunden hätten.
    Sie glaubte gern, stärker als die meisten Frauen, selbstsicherer und unabhängiger zu sein. Aber in Zeiten wie jetzt wünschte sie sich, ihr Mann hätte einen normalen Beruf.
    Im Wartezimmer war nichts zu hören außer der Stimme einer Fernsehmoderatorin, die Elizabeth nicht ausstehen konnte. Sie wollte etwas lesen, aber in allen Zeitschriften ging es um Kindererziehung - kein angenehmes Thema für eine kinderlose Vierzigjährige.
    Sie versuchte, auf ein anderes Programm umzuschalten, vielleicht gab es irgendwo Nachrichten, aber der Fernseher ließ sich nicht umstellen. Sie wollte den Ton leiser drehen, aber die Lautstärke war fest eingestellt. Gestern ist ein Flugzeug abgeschossen worden, dachte sie, und ich bin dieser faden Blondine ausgeliefert, die mir Babylotion verkaufen will. Sie trat wieder ans Fenster und hielt ein letztes Mal Ausschau nach Michaels Wagen. Es war töricht von ihr, ihn zu erwarten. Zu den wenigen Dingen, die sie über den Job ihres Ehemanns wußte, gehörte die Tatsache, daß Michael mit Terrorismusbekämpfung zu tun hatte. Sie konnte von Glück sagen, wenn er's schaffte, heute abend nach Hause zu kommen.

    Eine Sprechstundenhilfe erschien an der Tür. »Der Doktor erwartet Sie, Mrs. Osbourne. Kommen Sie bitte mit?«
    Elizabeth griff nach Aktenkoffer und Regenmantel und folgte der Sprechstundenhilfe einen schmalen Flur entlang.
    Vierzig Minuten später fuhr Elizabeth Osbourne mit dem Lift in die Eingangshalle hinunter. Sie schlug ihren Mantelkragen hoch und trat in den prasselnden Regen hinaus.
    Der Wind blies ihr die Haare ins Gesicht und zerrte an ihrem Regenmantel. Aber Elizabeth nahm nichts davon wahr. Sie war wie betäubt.
    Sie hatte die Worte des Arztes im Ohr wie eine irritierende Melodie, die sich in ihrem Kopf festgesetzt hatte. Sie sind nicht imstande, auf natürliche Weise zu empfangen... Das Problem hängt mit Ihren Eileitern zusammen... Eine Invitro-Fertilisation könnte helfen... Das wissen wir erst, wenn wir's versuchen... Tut mir sehr leid, Ihnen nichts anderes sagen zu können, Elizabeth...
    Bei schwindendem Tageslicht wäre sie beina he von einem Auto angefahren worden. Elizabeth schien nicht zu bemerken, daß der Fahrer hupte, bevor er wieder Gas gab. Sie hätte am liebsten laut geschrien. Oder geweint. Sie dachte daran, wie es war, mit Michael zu schlafen. Ihre Ehe wies leichte Mängel auf, sie sahen sich zu selten, waren zu sehr durch ihre Arbeit abgelenkt, aber im Bett harmonierten sie perfekt. Ihr Liebesakt war vertraut, aber trotzdem aufregend. Sie kannte Michaels Körper, und er kannte ihren; sie wußten, wie sie einander erregen konnten. Elizabeth hatte immer angenommen, wenn sie ein Baby bekommen wollte, würde das so natürlich und vergnüglich geschehen, wie sie sich

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