Der Maler
Gelegenheit, mit Awad zu spielen, nicht widerstehen konnte. »Wie ich höre, sagt er sehr detailliert über Struktur und Taktik Ihrer Organisation aus.«
»Ein hübscher Versuch, Mr. Osbourne«, sagte Awad. »Unsere Organisation ist stark untergliedert, und er kann nicht viel Schaden anrichten.«
»Glauben Sie das ruhig weiter, Ibrahim. Vielleicht schlafen Sie dann nachts besser. Sie haben mich also um ein Gespräch gebeten, damit Sie die Verantwortung für den Terroranschlag in Heathrow übernehmen können?«
»Wir benutzen lieber den Ausdruck Militäreinsatz.«
»Die Ermordung unbewaffneter Zivilisten ist nichts Militärisches. Das ist schlicht und einfach Terrorismus.«
»Der Terrorist eines Mannes ist der Freiheitskämpfer eines anderen, aber wir wollen diese unsinnige Debatte jetzt nicht fortführen. Dafür reicht die Zeit nicht. Ihre Luftangriffe auf unsere Ausbildungslager sind lächerlich gewesen, weil es keine Rechtfertigung für sie gibt. Das Schwert von Gaza hat die Rakete, mit der Flug 002 abgeschossen worden ist, nicht abgefeuert.«
Das vermutete auch Michael, aber er dachte nicht daran, sich das vor Mohammed Awad anmerken zu lassen. »Hassan Mahmoud, einer Ihrer bewährtesten Kämpfer, ist tot in dem Boot, aus dem die Rakete abgeschossen wurde, gefunden worden«, sagte Michael mit leiser, aber emotionsgeladener Stimme. »Die Abschußvorrichtung hat neben der Leiche gelegen. In London ist ein authentisches Bekennerschreiben Ihrer Organisation eingegangen.«
Awads Gesichtsausdruck verhärtete sich. Er nahm einen langen Zug aus seiner Dunhill und warf dann seine Kippe über die Reling. Michael wandte sich einen Augenblick von ihm ab und sah eine von Nebelschwaden halb verdeckte Motorjacht die Fähre begleiten.
»Hassan Mahmoud war seit fast einem Jahr nicht mehr Mitglied des Schwerts von Gaza. Er ist ein Psychopath gewesen, der die Disziplin in unserer Organisation nicht akzeptieren wollte. Als wir entdeckt haben, daß er geplant hat, Arafat zu ermorden, haben wir ihn rausgeworfen. Er hat Glück gehabt, daß wir ihn nicht liquidiert haben. Im nachhinein betrachtet wäre es wohl besser gewesen.«
Awad zündete sich eine neue Zigarette an. »Mahmoud ist nach Kairo gegangen und hat sich den Muslimbrüdern, ägyptischen Fundamentalisten, angeschlossen.« Er griff wieder in seinen Mantel, zog diesmal einen Briefumschlag heraus und entnahm ihm drei Fotos, die er Michael gab. »Die haben wir von einem Freund im ägyptischen Geheimdienst. Dieser Mann hier ist Hassan Mahmoud. Überprüfen Sie die Fotos anhand Ihrer Unterlagen, werden Sie feststellen, daß der zweite Mann Erik Stoltenberg ist. Ich bin sicher, daß Sie ihn dem Namen nach kennen.«
Natürlich kannte Michael ihn. Erik Stoltenberg kam aus dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit, besser als die Stasi bekannt. Er hatte dort in der Abteilung XXII gearbeitet, die nationale Befreiungsbewegungen in aller Welt unterstützte.
Stoltenberg hatte berüchtigte Terroristen wie Abu Nidal und Carlos und Gruppen wie die IRA und die baskische ETA betreut. Michael betrachtete die Fotos: Zwei Männer, die in Groppi's Café an einem verchromten Tisch saßen, der eine schwarzhaarig und dunkelhäutig, der andere blond und hellhäutig, beide trugen Sonnenbrillen.
Michael hielt Awad die Fotos wieder hin.
»Die können Sie behalten«, sagte Awad. »Geschenkt.«
»Sie beweisen nichts.«
»Wie Sie wahrscheinlich wissen, hat Erik Stoltenberg sich anderswo nach Arbeit umsehen müssen«, fuhr Awad fort, ohne auf Michaels Bemerkung einzugehen. »Nach dem Fall der Mauer war er zur Fahndung ausgeschrieben, weil er den Libyern 1986 bei ihrem Bombenanschlag auf die Westberliner Diskothek La Belle geholfen hatte. Seitdem lebt er im Ausland und nutzt seine alten Stasi-Kontakte, um Geld zu verdienen - Personenschutz, Waffenschmuggel und dergleichen. In letzter Zeit hat er einen Haufen Geld verdient, hat es aber nicht verstanden, diese Tatsache geheimzuhalten.«
Die Jacht war noch näher an die Fähre herangekommen.
Michael starrte Awad an und sagte: »Mahmoud hat den Angriff ausgeführt, und Stoltenberg ist für die Logistik zuständig gewesen - die Stinger, die Boote, die Fluchtroute.« Er schwenkte die Fotos. »Das haben Sie alles nur erfunden, weil Sie Angst vor einem weiteren Vergeltungsschlag haben.«
Awad lächelte mit beträchtlichem Charme. »Nicht schlecht, Mr. Osbourne, aber Sie kennen das Schwert von Gaza besser als jeder andere. Sie wissen, daß wir keine
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