Der Maler
geborgten Sperma des Ehemanns ihrer besten Freundin ein Kind zu bekommen. Elizabeth stützte ihr Kinn absichtlich in die linke Hand, um ihren Ehering und ihren zweikarätigen Verlobungsring sehen zu lassen. Sie fragte sich, was die anderen Frauen dachten. Hatte ihr Mann sich verspätet? Lebte sie seit kurzem von ihm getrennt? War er zu beschäftigt, um sie zu diesem wichtigen Termin zu begleiten?
Elizabeth merkte, daß ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie mußte ihre gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht loszuheulen. Die Doppeltür des Behandlungsraums ging auf.
Zwei Pfleger rollten eine narkotisierte Frau auf einer Krankentrage heraus. Eine andere wurde hineingerollt, um ihren Platz auf dem Tisch einzunehmen. Ihr Ehemann wurde in einen kleinen halbdunklen Raum mit Plastikbechern und Playboy - Heften geschickt.
An der Wand hing ein kleiner Fernseher, der tonlos auf CNN eingestellt war. Auf dem Bildschirm war eine in Rauchwolken gehüllte Autofähre auf dem Ärmelkanal zu sehen. Nein, dachte Elizabeth, das ist unmöglich! Sie stand auf, trat ans Gerät und drehte den Ton lauter.
»... sieben Tote... anscheinend das Werk einer als Schwert von Gaza bekannten islamischen Terrorgruppe... ihr zweiter Anschlag in zwei Tagen... vermutlich für den verlustreichen gestrigen Terroranschlag auf dem Londoner Flughafen Heathrow verantwortlich...«
Mein Gott, das darf doch nicht wahr sein! dachte sie.
Sie ging an ihren Platz auf der Bank zurück und kramte Handy und Telefonbuch aus ihrer Umhängetasche. Michael hatte ihr eine Nummer gegeben, die sie nur im äußersten Notfall anrufen sollte. Sie blätterte hastig in dem kleinen Buch, fühlte dabei, wie die anderen Patientinnen sie anstarrten, und fand die Nummer.
Als sie wählte, stach ihr Zeigefinger fast gewalttätig auf die Zahlentasten herab. Sie ging ins Treppenhaus, um ungestört zu sein. Nach dem ersten Klingeln meldete sich eine Männerstimme, die ruhig fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
»Mein Name ist Elizabeth Osbourne. Mein Mann ist Michael Osbourne.«
Sie hörte das Klappern einer Computertastatur.
»Woher haben Sie diese Nummer?« fragte die Stimme.
»Michael hat sie mir gegeben.«
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte mit meinem Mann sprechen.«
»Geben Sie mir bitte Ihre Telefonnummer.«
Elizabeth gab die Nummer ihres Mobiltelefons an und hörte wieder das Klappern der Tastatur.
»Sie werden angerufen.«
Einer der Pfleger kam ins Treppenhaus und sagte: »Sie sind die nächste, Mrs. Osbourne. Sie müssen reinkommen.«
»Ich will wissen, ob er auf dieser Fähre im Ärmelkanal ist«, sagte Elizabeth ins Telefon.
»Sie werden angerufen«, wiederholte die Stimme aufreizend gefühllos. Es war, als spräche sie mit einer Maschine.
»Ich will eine Auskunft, verdammt noch mal! Ist er auf diesem Schiff?«
»Sie werden angerufen«, wiederholte der Mann.
»Tut mir leid, Mrs. Osbourne, aber Sie müssen jetzt wirklich reinkommen«, sagte der Pfleger.
»Soll das heißen, daß er auf dem Schiff ist?«
»Bitte legen Sie jetzt auf und halten Sie diese Leitung frei.«
Am anderen Ende wurde aufgelegt.
Eine Krankenschwester führte Elizabeth in den Umkleideraum und gab ihr ein steriles Hemd. Elizabeth hatte ihr Mobiltelefon noch in der Hand. »Das müssen Sie hierlassen«, sagte die Krankenschwester.
»Ausgeschlossen«, widersprach Elizabeth. »Ich erwarte einen sehr wichtigen Anruf.«
Die Krankenschwester musterte sie ungläubig. »Ich habe hier schon viele Karrierefrauen gesehen, Mrs. Osbourne, aber Sie schießen echt den Vogel ab. Sie sind zu einer Operation hier.
Jetzt ist keine Zeit für geschäftliche Gespräche.«
»Ich erwarte keinen geschäftlichen Anruf. Es ist ein Notfall.«
»Das spielt keine Rolle. In drei Minuten schlafen Sie wie ein Baby.«
Elizabeth zog das Hemd an. Klingel endlich. Verdammt, du sollst klingeln!
Sie legte sich auf die Krankentrage, und die Schwester fuhr sie in den Operationssaal. Das OP-Team wartete schon. Ihr Arzt hatte seine Gesichtsmaske heruntergezogen und lächelte freundlich.
»Sie sehen etwas nervös aus, Elizabeth. Alles in Ordnung?«
»Mir geht's gut, Dr. Melman.«
»Gut, dann fangen wir am besten gleich an.« Er nickte der Anästhesistin zu, und wenige Sekunden später fühlte Elizabeth sich in angenehmen Schlaf versinken.
28
CALAIS
Der Hafen schien von den roten und blauen Blinkleuchten der Polizei-und Rettungsfahrzeuge zu brennen, als die Autofähre sich der französischen Küste
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