Der Maler
Botschaft bereit. Wheaton und Michael fuhren mit der ersten, Wheatons Drohnen mit der zweiten. Als sie zur Vauxhall Bridge abbogen, kamen sie an dem häßlichen modernen Verwaltungsgebäude aus Glas und Stahl vorbei, in dem die MI6-Zentrale untergebracht war.
»In diesem Gebäude erwartet Ihren Freund Graham Seymour in wenigen Minuten ein unfreundlicher Empfang«, sagte Wheaton. »Ich habe den Generaldirektor aus Calais angerufen.
Er ist natürlich stinksauer. Außerdem hat er mir eine Mitteilung gemacht, die aber warten muß, bis wir hinter verschlossenen Türen sind.«
Michael ignorierte die Bemerkung. Wheaton schien sich immer sehr über berufliche Mißgeschicke von Kollegen zu freuen. Er war in der Hauptabteilung Sowjetunion aufgestiegen, als Michaels Vater in Langley eine Führungsposition bekleidet hatte, und hatte in Istanbul und Rom gearbeitet. Dort hätte er KGB-Offiziere und sowjetische Diplomaten anwerben sollen, war aber so unfähig gewesen, daß er eine Serie vernichtender Beurteilungen kassiert hatte, darunter eine von Michaels Vater.
Wheaton wurde nach Langley zurückgeholt, wo er seine Fähigkeiten in der hinterhältigen, intriganten Atmosphäre der Zentrale hatte ausspielen können. Michael wußte genau, daß Wheaton ihn wegen seines Vaters nicht ausstehen konnte, obwohl die damalige schlechte Beurteilung letzten Endes dazu beigetragen hatte, seine Karriere zu retten.
Sie erreichten die Botschaft am Grosvenor Square. Wheaton und Michael betraten sie nebeneinander, Wheatons Leute folgten ihnen. Michael hatte das merkwürdige Gefühl, unter Arrest zu stehen. Wheaton ging sofort in den abhörsicheren Telekonferenzraum. Carter und Monica Tyler erschienen auf dem Bildschirm, als Wheaton und Michael in den weichen schwarzen Ledersesseln Platz nahmen.
»Ich freue mich, daß es Ihnen gutgeht, Michael«, sagte Monica. »Sie haben ein paar bemerkenswert streßreiche Tage hinter sich. Wir haben viel zu besprechen, daher wollen wir mit der nächstliegenden Frage beginnen: Was ist schiefgelaufen?«
Michael berichtete zehn Minuten lang ausführlich, was sich auf der Fähre ereignet hatte: Awad, die Palästinenserin namens Odette, die Jacht und der Attentäter. Er schilderte, wie die Geschosse Awads Körper durchschlagen hatten und in seiner Weste steckengeblieben waren. Er beschrieb, wie Awads Sprengsatz detoniert war und die Männer auf der Jacht dem flüchtenden Attentäter Feuerschutz gegeben hatten. Zuletzt schilderte er, wie Odette ihn zu töten versucht hatte, bis sie selbst von Graham Seymour erschossen worden war.
»Was hat Graham Seymour, ein MI6-Offizier, eigentlich auf der Fähre zu suchen gehabt?«
Michael wußte, daß er mit Lügen nicht weitergekommen wäre. »Graham ist mein Freund. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Ich wollte, daß jemand, zu dem ich Vertrauen habe, mir den Rücken freihält.«
»Das ist nebensächlich«, sagte Monica eingeübt ungeduldig.
Sie hatte generell etwas gegen solche Einsätze und die CIA-Offiziere, die sie durchführten. Monica bevorzugte mit technischen Mitteln beschaffte Nachrichten, die sich eher wie ein Quartalsbericht aufbereiten ließen.
»Sie haben einen Mitarbeiter eines ausländischen Dienstes mitgenommen, ohne die Einwilligung Ihrer Vorgesetzten in der Zentrale einzuholen.«
»Er arbeitet für die Briten, nicht für die Iraner. Und wäre er nicht dagewesen, wäre ich jetzt tot.«
Monicas irritiertes Stirnrunzeln zeigte, daß sie nicht daran dachte, sich von emotionalen Argumenten beeinflussen zu lassen. »Wenn Sie so um Ihre Sicherheit besorgt gewesen sind«, sagte sie tonlos, »hätten Sie von uns Verstärkung anfordern sollen.«
»Ich wollte nicht mit einer Truppe anrücken, die Awad und sein Team schon aus einer Meile Entfernung erkannt hätten.«
Aber das war nur ein Teil der Wahrheit; tatsächlich hatte er möglichst wenige Leute aus London und der Zentrale an diesem Unternehmen beteiligen wollen. Michael, der im Außendienst und in der Zentrale gearbeitet hatte, wußte nur allzugut, wie miserabel die Geheimhaltung in Langley war.
»Awad und sein Team haben Ihren guten Freund Graham Seymour aber offenbar entdeckt«, sagte Monica verächtlich.
»Wie kommen Sie darauf?« fragte Michael. Wheaton rutschte unbehaglich in seinem Sessel hin und her, und im viertausend Meilen entfernten Langley tat Carter das gleiche. Monica Tyler reagierte unwirsch auf Fragen von Mitarbeitern, selbst von relativ hohen CIA-Offizieren wie Michael. Die
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