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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Überzeugung, mit der sie ihre Auffassungen vertrat, war ein bedauerliches Nebenprodukt ahnungsloser Unschuld.
    »Weshalb hätte sonst einer ihrer Männer versucht, Sie zu erschießen? Und weshalb hätte Awad den Sprengsatz an seinem Körper gezündet?«
    »Sie setzen voraus, daß der Attentäter dem Schwert von Gaza angehört hat. Ich glaube, daß das eine falsche Annähme ist. Der Mann hat keinen Versuch gemacht, Awads Leben zu schonen.
    Er hat versucht, mich zu erschießen, und Awad hat vor mir gestanden. Die junge Palästinenserin hat die ganze Zeit hinter mir gestanden. Hätten sie mich umbringen wollen, hätte sie mich in aller Ruhe erschießen können. Und als die Schießerei angefangen hat, hat sie zuerst auf den Attentäter geschossen, nicht auf mich.«
    »Später aber auch auf Sie.«
    »Richtig, aber erst nachdem Awad seine Bombe gezündet hatte. Ich glaube, daß sie den Attentäter für einen unserer Leute gehalten hat.«
    »Haben Sie sein Gesicht gesehen?«
    »Nein, er hatte eine Sturmhaube übers Gesicht gezogen.«

    Monica lehnte sich zu Carter hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Carter hob die Hände und bewegte sie über Kopf und Gesicht. Michael merkte, daß er Monica erklärte, was eine Sturmhaube war. Sie machte eine kurze Pause und betrachtete ihre Hände, bevor sie fragte: »Was hat Awad gesagt, bevor die Schießerei angefangen hat?«
    Michael gab alle Einzelheiten ihres Gesprächs detailliert wieder. Er ha tte gelernt, in seinem Gedächtnis große Informationsmengen zu speichern; früher im Außendienst war es ihm immer wieder gelungen, Treffs mit Agenten fast wörtlich wiederzugeben. Aus dieser Zeit stammte sein Spitzname »das menschliche Diktiergerät«, den Carter ihm gegeben hatte.
    Michael erzählte ihnen alles, was Awad gesagt hatte - über den Anschlag in Heathrow, über die Luftangriffe, über Hassan Mahmouds Ausschluß -, aber eine wichtige Einzelheit verschwieg er. Die Fotos, die Mahmoud mit Erik Stoltenberg in Kairo zeigten, erwähnte er nicht. Das war eine riskante Strategie, denn Carter konnte jemanden mit einem Richtmikrofon auf die Fähre geschickt haben, aber Michael wollte die Stoltenberg-Connection vorläufig für sich behalten.
    »Glauben Sie, daß er die Wahrheit gesagt hat?« wollte Monica wissen.
    »Ja, das glaube ich«, sagte Michael nüchtern. »Ich habe das Bekennerfax des Schwerts von Gaza schon immer skeptisch beurteilt. Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Aber wer ist's dann gewesen? Und warum haben die wahren Schuldigen eine andere Organisation vorgeschoben?«
    Und wer zum Teufel hat heute versucht, Mohammed Awad und mich auf der Fähre umzulegen?
    Carter und Monica berieten sich einen Augenblick halblaut miteinander. Wheaton funkelte Michael wie ein Professor über seine halbe Lesebrille hinweg an, als habe Michael in einer mündlichen Prüfung gerade eine entscheidende Frage falsch beantwortet.
    »Wir müssen noch etwas mit Ihnen besprechen, Michael«, sagte Monica und fügte dann nachdrücklich hinzu: »Es handelt sich um eine sehr ernste Sache.« Etwas an ihrem geschäftsmäßigen Tonfall machte Michael augenblicklich nervös.
    »Heute früh hat ein britischer SIS-Offizier einen Überläufer namens Iwan Drosdow aufgesucht. Drosdow hatte anscheinend versäumt, seinen wöchentlichen Scheck abzuholen, was noch nie vorgekommen war, und der SIS hat sich Sorgen um ihn gemacht. Der Offizier ist bei ihm eingebrochen und hat ihn gefunden - erschossen, SIS und örtliche Polizei haben sofort die Ermittlungen aufgenommen. Drosdow ist gestern in einem lokalen Café mit einem Mann gesehen worden, auf den Ihre Personenbeschreibung paßt. Der SIS möchte wissen, ob Sie ihn gestern besucht haben. Und wir wüßten's ehrlich gesagt auch gern.«
    »Sie wissen, daß die Antwort ›ja‹ lautet, weil Sie mich von der Abfahrt aus London bis zur Rückkehr nach Heathrow haben beschatten lassen.«
    »Falls Sie überwacht worden sind, ist der Befehl dazu weder von mir noch von sonst jemandem in der Zentrale gekommen«, fauchte Monica.
    »Wir sind's auch nicht gewesen«, sagte Wheaton.
    »Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, Drosdow ohne unsere Erlaubnis, auch ohne SIS-Genehmigung, zu besuchen?«
    fragte Monica scharf. »Und worüber haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Das ist eine persönliche Angelegenheit gewesen«, antwortete Michael. Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie Adrian Carter zur Decke blickte und geräuschvoll ausatmete. »Drosdow hat beim KGB in

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