Der Maler
einem Ecktisch weit von den nächsten Gästen entfernt. Als Michael näherkam, sah er auf und ließ lächelnd zwei Reihen perlweißer Zähne aufblitzen. Er sah aus wie ein ägyptischer Filmstar: ein füllig gewordener Fünfziger mit dichtem grauen Haar, der jüngere Frauen anzieht und jüngere Männer aus dem Feld schlägt. Michael wußte, daß das ziemlich der Wahrheit entsprach. Mit dem Agentenlohn, den die CIA ihm zahlte, unterhielt er seine Geliebte und machte jedes Jahr im Sommer Urlaub in Frankreich.
Sie bestellten gekühlten Weißwein. Hafis war Mohammedaner, aber er fand, die strikte Einhaltung islamischer Gebote sei etwas für »die Verrückten und die Fellachen«. Sie stießen miteinander an und plauderten eine Stunde lang über die gute alte Zeit, während der Ober einen Teller nach dem anderen mit Hors d'ouvres auf libanesische Art servierte.
Schließlich kam Michael zur Sache. Er erzählte Hafis, er sei in einer persönlichen Angelegenheit in Kairo und hoffe, Hafis werde ihm aus Freundschaft und kollegialer Höflichkeit helfen.
Unter keinen Umständen dürfe er über diese Sache mit seinem jetzigen Führungsoffizier sprechen. Für seine Hilfe werde Michael ihn aus der eigenen Tasche honorieren.
»Sie dürfen mich zum Essen und einem weiteren Glas dieses Weins einladen, aber Ihr Geld müssen Sie behalten.«
Michael machte dem Ober ein Zeichen, ihnen Wein nachzuschenken. Solange der Ober an ihrem Tisch war, schwärmte Hafis von einer Pizza, die er diesen Sommer in Cannes gegessen hatte. Der Muchabarat besoldete Zehntausende von Spitzeln; auch der Ober konnte einer sein. Als der Mann gegangen war, fragte Hafis: »Also, was kann ich für Sie tun, mein Freund?«
»Ich möchte mit einem Mann namens Erik Stoltenberg sprechen. Er ist ein ehemaliger Stasi-Offizier, der in Kairo lebt und freiberuflich Aufträge übernimmt.«
»Ja, den kenne ich.«
»Sie wissen, wo er zu finden ist?«
»Ja, das weiß ich zufällig.«
Hafis stellte das Weinglas ab und schob seinen Stuhl zurück.
Der Tote lag unter einem grauen Laken mit hundert anderen in einem ungekühlten Raum. Der Overall des Leichenwärters war von Blut und Körperflüssigkeiten fleckig. Hafis kniete neben dem Toten und schaute zu Michael hoch, um zu sehen, ob er bereit war. Als Michael nickte, zog Hafis das Laken zurück.
Michael sah rasch weg und würgte einmal kurz, weil der Lunch im Arabesque nach oben drängte.
»Wo haben Sie ihn gefunden?« fragte Michael.
»Am Rand der Wüste, in der Nähe der Pyramiden.«
»Lassen Sie mich raten - drei Schüsse ins Gesicht?«
»Genau«, sagte Hafis und zündete sich eine Zigarette an, um den Gestank abzumildern. »Zuletzt ist er im Nachtclub Break Point in Zamalek gesehen worden.«
»Den kenne ich«, sagte Michael.
»Er hat dort mit einer Europäerin getanzt - groß, blond, vielleicht eine Deutsche.«
»Sie heißt Astrid Vogel. Sie ist ein ehemaliges Mitglied der Rote-Armee-Fraktion.«
»Hat sie ihn erschossen?«
»Nein, ich vermute, daß sie mit jemandem zusammenarbeitet.
Sie haben Videoaufnahmen von allen, die auf dem internationalen Flughafen ankommen?«
Hafis machte ein Gesicht, das zeigte, daß ihn diese Frage leicht amüsierte.
»Kann ich sie mir mal ansehen?«
Hafis deckte den Toten wieder zu und sagte: »Kommen Sie, wir fahren gleich hin.«
Michael bekam einen Raum mit einem Videorekorder und einem Monitor zugewiesen. Zwei Männer kamen und gingen lautlos, brachten neue Videokassetten und trugen die durchgesehenen wieder weg. Sie brachten ihm Tee in Gläsern in reich verzierten Metallhaltern. Sie brachten ihm ägyptische Zigaretten, als er alle seine Marlboros geraucht hatte. Michael begann vierundzwanzig Stunden vor der Tat und arbeitete von dort aus rückwärts. Oktober arbeitete gewissenhaft. Oktober plante alles sorgfältig.
Er entdeckte sie irgendwann nach Mitternacht. Sie war groß, hielt sich sehr gerade und hatte ihr blondes Haar straff zurückgekämmt, was ihre lange Nase betonte. Ihre schlanken Hände schienen mit ihrem Reisepaß zu kämpfen, als sie ihn dem Beamten an der Paßkontrolle aushändigte.
Oktober erschien fünf Minuten später: klein, leichtfüßig wie ein Fechter. Der Schirm seiner tief in die Stirn gezogenen Baseballmütze verdeckte den größten Teil seines Gesichts, aber Michael erkannte ihn trotzdem. Er holte die beiden als Standbilder auf den Bildschirm und ließ Hafis rufen.
»Das sind die Mörder«, sagte Michael, als Hafis hereinkam.
»Das ist Astrid
Weitere Kostenlose Bücher