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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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er nicht vervollständigen konnte. Seiner Überzeugung nach hatte das Schwert von Gaza den Anschlag nicht verübt. Er hielt ihn für das Werk einer Einzelperson oder einer Gruppe, die nur den Namen der Terrororganisation benutzt hatte. Aber wer waren diese Leute? Oktober war ein Berufskiller; war er an dieser Sache beteiligt, mußten andere ihm den Auftrag erteilt haben.
    Das gleiche galt für Astrid Vogel; die Rote-Armee-Fraktion hatte weder die Mittel noch ein Motiv für den Flugzeugabschuß.
    Michael nahm an, daß er die Wahrheit kannte oder zumindest einen Teil davon: Der Mann namens Oktober und Astrid Vogel hätten den Auftrag, das Team, das den Angriff durchgeführt hatte, zu liquidieren.

    Die Autofähre legte auf Shelter Island an. Michael ließ den Motor des Buick an und fuhr an Land. Shelter Island Heights war menschenleer; die Läden und viktorianischen Landhäuser waren dunkel. Durch einen Tunnel aus blattlosen Bäumen fuhr er die Winthrop Road entlang und an Derring Harbor vorbei. Im Sommer war der Hafen voller Segelboote; jetzt war er leer bis auf die Athena, die an ihrer Boje vor Cannon Point in den schaumgekrönten Wellen auf und ab tanzte.
    Michael wußte auch, daß das Attentat auf der Kanalfähre ihm, nicht Mohammed Awad gegolten hatte. Wer war der Mann mit der Sturmhaube gewesen? Oktober? Er hatte Oktober in Aktion gesehen, persönlich auf dem Chelsea Embankment und in einem Videofilm. Der Mann auf der Fähre hatte sich ganz anders bewegt. Michael mußte mit weiteren Mordanschlägen und der Möglichkeit rechnen, daß seine unbekannten Feinde Oktober, den besten Berufskiller der Welt, beauftragen würden, ihn zu beseitigen. Er würde Carter und Monica Tyler alles erzählen müssen; er brauchte ihren Schutz. Auch Elizabeth würde er alles erzählen, jedoch aus völlig anderen Gründen. Er liebte sie mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt und wollte seine Ehe unbedingt retten.
    Vor ihm tauchte Cannon Point auf. Michael hielt am Tor, ließ sein Fenster herunter und tippte den Zahlencode ein. Das Tor rollte zur Seite, und in dem kleinen Haus des Gärtners und Hausmeisters flammte Licht auf. Michael fuhr langsam die kiesbestreute Einfahrt entlang. Mehrere Weißschwanzhirsche, die auf den weiten Rasenflächen ästen, beäugten den vorbeifahrenden Wagen. Michael sah den Lichtstrahl einer Taschenlampe und hörte Hundegebell. Das war Charlie, der Hausmeister, der von kläffenden Jagdhunden begleitet auf ihn zukam.
    Michael stellte den Motor ab und stieg aus. Im Haupthaus wurde Licht gemacht, dann ging die Tür auf. Elizabeth trat in einer alten Jacke ihres Vaters auf die Schwelle und blieb mit verschränkten Armen wartend stehen. Der Wind blies ihr die Haare übers Gesicht. Dann war sie plötzlich mit einigen raschen Schritten bei ihm und warf sich in seine Arme.
    »Verlaß mich nie wieder, Michael.«
    »Niemals«, sagte er. »Gott, es tut mir so leid.«
    »Wir müssen miteinander reden. Ich will, daß du mir alles erzählst.«
    »Ich erzähle dir alles, Elizabeth. Es gibt ein paar Dinge, die du unbedingt wissen mußt.«
    Sie redeten stundenlang miteinander. Elizabeth saß auf dem Bett, hatte ihre Knie unters Kinn hochgezoge n und spielte mit einer nicht angezündeten Benson & Hedges. Michael ging im Zimmer auf und ab, setzte sich zwischendurch neben sie auf die Bettkante oder starrte aus einem der Fenster auf den Sund hinaus.
    Er hielt Wort und erzählte ihr alles. Er fühlte, wie seine Anspannung mit jedem Geheimnis, das er preisgab, mehr und mehr nachließ. Er wünschte sich, er hätte ihr nie etwas verschwiegen. Er hatte sich immer eingeredet, es geschehe zu ihrem Schutz, aber jetzt wurde ihm klar, daß das nur die halbe Wahrheit war. Er hatte so lange mit Lügen und Geheimnissen gelebt, daß er gar kein anderes Leben mehr kannte.
    Geheimhaltung glich einer Krankheit, einem schweren Leiden.
    Sein Vater hatte sich damit angesteckt, und seine Mutter hatte ihr Leben lang darunter gelitten. Diesen Fehler hätte Michael vermeiden müssen.
    Sie schwieg lange, nachdem er ihr alles gesagt hatte.
    Schließlich fragte sie: »Was willst du von mir?«
    »Verzeihung«, sagte er. »Verzeihung und Verständnis.«
    »Die hast du, Michael.« Sie schob die Zigarette in die Packung zurück, dann fragte sie: »Was passiert morgen in Langley?«

    »Wahrscheinlich legen sie mir eine geladene Fünfundvierziger hin.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich rechne damit, ernsthaft Schwierigkeiten zu bekommen.
    Vielleicht

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