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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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aufgeplatzte Unterlippe, Prellung auf dem linken Backenknochen, blaue Flecken wie Abdrücke einer Hand auf der rechten Brust. Sie war noch nie in einer Situation gewesen, in der sie sich so ausgeliefert gefühlt hatte, und das gefiel ihr nicht.
    »Ich will nicht wie ein Tier in der Wüste verrecken, Jean-Paul.«
    »Ich auch nicht«, sagte er. »Und ich lasse nicht zu, daß das einem von uns passiert.«
    »Wohin gehst du, wenn dieser Auftrag ausgeführt ist?«
    »Zurück nach Breies, wenn ich kann. Sonst in die Karibik.«
    »Und wohin gehe ich, wenn die Tür nach Amsterdam jetzt für mich verschlossen ist?«
    Er schob seine Waffen weg und legte sich neben sie.
    »Du kannst mit mir in die Karibik kommen.«
    »Und was würde ich dort machen?«
    »Was du willst, oder gar nichts.«

    »Und was werde ich für dich sein? Deine Ehefrau?«
    Delaroche schüttelte den Kopf. »Nein, nicht meine Ehefrau.«
    »Wird es andere Frauen geben?«
    Er schüttelte wieder den Kopf. »Nein, es wird keine anderen Frauen geben.«
    »Ich will sein, was ich für dich sein soll, aber du darfst mich nicht durch andere Frauen demütigen.«
    »Ich würde dich nie demütigen, Astrid.«
    Er küßte sie zart auf ihre aufgeplatzte Unterlippe, um ihr nicht wehzutun. Er knöpfte ihre Galabija auf und küßte ihre Brüste und den häßlichen Abdruck von Stoltenbergs Hand. Er glitt über ihren Körper nach unten und schob die Galabija hoch. Das Entsetzen, das sie vor einigen Stunden empfunden hatte, verschmolz mit dem exquisiten Reiz dessen, was er zwischen ihren Schenkeln tat.
    »Wo werden wir leben?« fragte sie leise.
    »Am Meer«, antwortete er, dann machte er weiter.
    »Machst du das am Meer mit mir, Jean-Paul?«
    Sie spürte, wie er zwis chen ihren Beinen nickte.
    »Machst du das am Meer oft mit mir, Jean-Paul?«
    Aber das war eine törichte Frage, auf die er keine Antwort gab. Sie ergriff seinen Kopf und drückte ihn fest an ihren Leib.
    Sie wollte ihm sagen, daß sie ihn liebte, aber sie wußte, daß so etwas nie laut ausgesprochen werden würde. Danach lag er leise atmend neben ihr.
    »Kannst du nachts schlafen, Jean-Paul?«
    »Manche Nächte sind besser als andere.«
    »Siehst du sie vor dir?«
    »Ich sehe sie für eine Weile, dann verschwinden sie.«
    »Warum bringst du sie auf diese Weise um? Warum schießt du sie dreimal ins Gesicht?«

    »Weil sie wissen sollen, daß ich existiere.«
    Ihre Augen schlossen sich, und ihre Stimme klang bereits schläfrig.
    »Bist du Satan, Jean-Paul?«
    »Wie meinst du das?«
    »Satan«, wiederholte sie. »Der Teufel. Vielleicht hinterläßt du dein Wahrzeichen auf ihren Gesichtern, weil du der Satan bist.«
    »Die Leute, die ich umbringe, sind böse Menschen. Bringe ich sie nicht um, tut's ein anderer. Das ist nur ein Geschäft, nichts anderes.«
    »Bei dir ist's mehr als ein Geschäft, Jean-Paul. Es ist...« Als sie zögerte, glaubte er einige Sekunden lang, sie sei schon eingeschlafen. »Es ist Kunst, Jean-Paul. Bei dir ist das Töten eine Kunst.«
    »Schlaf jetzt, Astrid.«
    »Bleib wach, bis ich eingeschlafen bin, Jean-Paul.«
    »Gut, ich warte«, sagte er.
    Sie schwieg einen Augenblick, dann fragte sie: »Was wird aus Arbatow, wenn du aufhörst?«
    »Er wird wohl auch aufhören müssen«, sagte Delaroche. »Er ist sowieso schon ein alter Mann.«
    »Bist du der Teufel, Jean-Paul?« murmelte Astrid, aber sie war eingeschlafen, bevor er antworten konnte.
    Sie kramte sie im Morgengrauen aus ihrer Umhängetasche, die kleine Meldung aus Le Monde über den Raubmord an einem pensionierten russischen Diplomaten auf einer Pariser Straße.
    Delaroche schlief - oder stellte sich schlafend, das wußte man bei ihm nie.
    Sie nahm den Zeitungsausriß auf Fahmys gefährlichen Balkon mit und las die Meldung im blassen Licht der Morgendämmerung nochmals durch. Vielleicht ist es Jean-Paul nicht gewesen, dachte sie. Vielleicht ist's wirklich ein Raubüberfall gewesen.
    Unter ihr begann Kairo zu erwachen. Ein Sabbalin fuhr durch die Gasse, ein zerlumptes kleines Mädchen, das seinen Esel verschlafen mit einer Gerte antrieb. Der erste Muezzin ließ seinen Ruf ertönen. Tausend weitere fielen ein.
    Sie hielt ein brennendes Streichholz an den Zeitungsausriß und schaute ihm nach, wie er auf die Gasse hinuntersegelte, auf einem Abfallhaufen liegenblieb und sich in graue Asche verwandelte.

31
    KAIRO

    Die Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel dauerte fast so lange wie der Flug von Rom nach Kairo. Es war ein heißer Novembertag, und

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