Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
Ja, auf seinem Konto waren zwei telegrafische Überweisungen eingegangen: eine erste über eine Million Dollar und soeben eine zweite über siebenhundertfünfzigtausend Dollar. Delaroche beauftragte ihn, das Geld auf seine bahamischen Konten zu überweisen.
    Er verließ das Telefonzentrum und ging zum Fahrradständer.
    Ein Dieb war dabei, das Schloß zu knacken. Delaroche erklärte ihm höflich, das Fahrrad gehöre ihm. Der Dieb forderte ihn auf, sich zu verpissen. Delaroches Tritt traf seine Niere. Als er mit dem Rad wegfuhr, wand der Dieb sich noch immer lautlos auf dem Pflaster.
    Astrid schlief bis nach Sonnenuntergang. Nach einem Kaffee in einem Café in der Nähe der Krista machten sie bis zum Abendessen einen Spaziergang die Grachten entlang. Astrid atmete die kalte, saubere Amsterdamer Luft tief ein, als versuche sie, ihre Lungen von dem Rauch und Staub Kairos zu reinigen. Ihre Nerven waren von Schlaftabletten und Kaffee überreizt. Ein grauhaariger Mann rempelte sie im Vorbeigehen an. Astrid griff nach der Pistole in ihrer Umhängetasche, bevor Delaroche ihr begütigend eine Hand auf den Arm legte und ihr zuflüsterte, das habe nichts zu bedeuten, nur ein Unbekannter, der es eilig habe.
    In dem Restaurant an der Herengracht, in das Delaroche sie schon am ersten Abend eingeladen hatte, aßen sie wie ein erschöpftes Liebespaar. Sie hatte in Kairo nichts mehr zu sich genommen, deshalb verschlang sie ihr eigenes Essen und den größten Teil von Delaroches Portion. Astrids vor Anspannung und Erschöpfung blasser Teint bekam vom Essen, dem Wein und der Nachtluft wieder Farbe. Erst beim Dessert erzählte er ihr von dem neuen Auftrag. Ihr Gesichtsausdruck ließ nur eine leichte Verärgerung erkennen, so als habe Delaroche ihr erzählt, er müsse an diesem Abend etwas länger im Büro bleiben.
    »Du mußt nicht mitmachen«, sagte er.
    »Ich will nicht ohne dich sein.«
    Sie liebten sich unter dem Oberlicht der Krista zum Geschrei der Schlittschuhläufer auf der Prinsengracht. Danach gestand ihr Delaroche, daß er das Verkehrsflugzeug vor New York abgeschossen hatte, gemeinsam mit einem jungen Palästinenser, den er anschließend getötet hatte. Er erklärte ihr, seiner Überzeugung nach seien die Männer, die sie liquidiert hatten, ebenfalls in diesen Anschlag verwickelt gewesen oder hätten jedenfalls seine wahren Hintergründe gekannt.
    »Wer sind deine Auftraggeber?« fragte sie und berührte seine Lippen.
    »Ehrenwort, ich weiß es nicht.«
    »Du mußt wissen, daß sie dich beseitigen werden, Jean-Paul.
    Nach dem letzten Mord werden sie Jagd auf dich machen. Und auch auf mich.«
    »Das ist mir klar.«
    »Wohin gehen wir dann?«
    »In unser Haus am Strand.«
    »Sind wir dort sicher?«

    »So sicher wie anderswo auf der Welt.«
    Astrid zündete sich eine Zigarette an und blies eine schmale Rauchfahne gegen das Oberlicht. Delaroche zog seinen Laptop zu sich heran, schaltete ihn ein und tippte einen kurzen Befehl.
    Kurz darauf erschien das Foto eines dunkelhaarigen Mannes auf dem Bildschirm.
    »Ich bin noch nie in Amerika gewesen. Und du?«
    »Ich auch nicht.«
    »Dein Englisch ist schrecklich.«
    »Es ist gut genug. Außerdem spricht in Amerika kein Mensch mehr gutes Englisch.«
    Sie betrachtete Michael Osbournes Foto.
    »Warum muß dieser Mann sterben?«
    »Wahrscheinlich weiß er zuviel.«
    »Seine Frau ist schön.«
    »Ja.«
    »Schade.«
    »Ja«, sagte Delaroche und schaltete den Laptop aus.

33
    SHELTER ISLAND, NEW YORK
     
    Michael erreichte die letzte Fähre an diesem Abend. Er stand kurz in der kalten Luft an der Reling, aber Wind und überkommende Gischt trieben ihn in den Buick zurück, den er auf dem JFK Airport gemietet hatte. Er hatte Adrian Carter vom Long Island Expressway aus angerufen und ihm mitgeteilt, er sei wieder im Lande. Carter hatte wissen wollen, wo zum Teufel er gewesen sei. Michael hatte geantwortet, er werde morgen nachmittag in die Zentrale kommen und alles erklären. Als Carter eine sofortige Erklärung verlangte, hatte Michael behauptet, die Verbindung sei schlecht, und aufgelegt.
    Wogen brachen über den Bug der Fähre und klatschten an die Windschutzscheibe. Michael schaltete die Scheibenwischer ein.
    In der Ferne leuchteten die Lichter von Cannon Point. Vor seinem inneren Auge liefen Bilder von den Ereignissen der letzten Wochen wie ein Film ab: Flug 002, die Wahl, Heathrow, Drosdow, Mohammed Awad, Erik Stoltenberg, Astrid Vogel, Oktober. Sie glichen Bruchstücken einer Melodie, die

Weitere Kostenlose Bücher