Der Maler
welches ihres war. Sie wünschte sich in ihr gräßliches Hotelzimmer zurück, mit der Toilette, die nicht funktionierte, gegenüber dem Bürogebäude, das jeden Augenblick einstürzen konnte.
»Du liebst diesen Mann offenbar. Deshalb bist du bereit, für ihn zu leiden. Aber glaub mir, er erwidert deine Gefühle nicht. Sonst hätte er dich niemals auf mich angesetzt. Er nutzt dich bloß aus, gena u wie's diese Schweine von der RAF gemacht haben.«
Stoltenberg erteilte dem Fahrer auf arabisch einen knappen Befehl, den Astrid nicht verstand. Der Fahrer öffnete die Tür und stieg aus. Stoltenberg setzte ihr erneut die Pistole an den Hals.
»Also gut«, sagte er. »Versuchen wir's noch mal.«
Delaroche stellte den Motor seines Rollers ab, sobald er die Bremslichter des Mercedes aufleuchten sah. Er ließ ihn noch ausrollen, schob ihn dann von der Straße und näherte sich dem Wagen zu Fuß. Aus der Ferne war das Rauschen Kairos zu hören. Er erstarrte, als eine Autotür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Im Mercedes blieb es dabei dunkel; wie jeder erfahrene Geheimdienstmann hatte Stoltenberg die Innenbeleuchtung ausgeschaltet. Im Mondschein sah Delaroche den Fahrer, der mit schußbereiter Waffe die Umgebung des Wagens sicherte. Delaroche kauerte hinter einem zerklüfteten Felsblock und wartete, bis der Mann näherkam. Als der Fahrer auf etwa zehn Meter herangekommen war, stand Delaroche in der Dunkelheit auf und hob seine Beretta mit Schalldämpfer.
Stoltenberg schlug wieder zu und traf ihr Gesicht, ihren Hinterkopf, ihre Brüste. Astrid spürte, daß es ihm Spaß zu machen begann. Sie dachte angestrengt an etwas anderes, an irgend etwas anderes. Sie dachte an ihr Hausboot auf der Prinsengracht und die kleine Buchhandlung und wünschte sich verzweifelt, Jean-Paul Delaroche wäre niemals in ihr Leben getreten.
Die Fahrertür wurde geöffnet und wieder geschlossen. In der Dunkelheit konnte Astrid kaum die Silhouette des Mannes am Steuer erkennen. Trotzdem merkte sie, daß das nicht mehr ihr Fahrer war.
Stoltenberg drückte ihr wieder die Mündung seiner Pistole an den Hals. »Hast du draußen jemand gesehen?« fragte er auf arabisch.
Der Mann am Steuer schüttelte den Kopf.
»Jallah!«, sagte Stoltenberg. Auf geht's!
Delaroche fuhr blitzschnell herum und zielte mit der Beretta auf Stoltenbergs Gesicht.
Der Deutsche war zu erschrocken, um zu reagieren.
Delaroche schoß dreimal.
Blut und Gehirnmasse klatschten an die Heckscheibe.
Stoltenberg fiel gegen Astrid. Sie schrie auf, stieß ihn von sich weg, stürzte aus dem Wagen und rannte vom Blut des Deutschen bespritzt in die nächtliche Wüste.
Delaroche stieg aus und rannte hinter ihr her.
»Er hätte mich umbringen können, Jean-Paul.«
Sie lag im Hotel Imperial in ihrer Galabija auf dem Bett und rauchte im Dunkel eine Zigarette nach der anderen. Delaroche saß neben ihr und zerlegte seine Waffen. Ihr Haar war vom Duschen naß, und die durchs offene Fenster hereinkommende Brise ließ sie frösteln. Sie hatte Erik Stoltenbergs Blut und die Spuren ihrer wilden Flucht in die Wüste abgewaschen. Sie hatte sich mehrmals heftig übergeben müssen. Die Toilette war wieder verstopft, aber Mr. Fahmy, der sie als einziger reparieren konnte, hatte heute abend frei. »Bokra, inschallah«, sagte der Nachtportier. Morgen, so Gott will.
Delaroche dachte über ihre Feststellung nach; der Profi in ihm konnte ihr nicht widersprechen. Erik Stoltenberg hatte reichlich Zeit und Gelegenheit gehabt, sie umzubringen. Er hatte es nur deshalb nicht gleich getan, weil er weitere Informationen brauchte.
»Er hätte dich umbringen können«, gab Delaroche zu, »aber er hat's nicht getan, weil du dich mustergültig verhalten hast. Du hast auf Zeit gespielt, du hast nichts verraten. Du bist keine Sekunde allein gewesen. Ich bin die ganze Zeit hinter euch gewesen.«
»Hätte er mich umbringen wollen, hättest du ihn nicht daran hindern können.«
»Diese Arbeit ist nicht risikolos, Astrid. Das weißt du.«
Sie erinnerte sich an Stoltenbergs Worte. Er ist verdammt nachlässig, dein Franzose. Er hat dich in eine sehr gefährliche Lage gebracht.
»Ich weiß nicht, ob ich weitermachen kann, Jean-Paul.«
»Du hast den Auftrag übernommen. Du hast das Geld genommen. Du kannst nicht mehr aussteigen.«
»Ich will zurück nach Amsterdam, zurück auf mein Boot.«
»Du kannst nicht mehr zurück. Diese Tür ist jetzt für dich verschlossen.«
Sie zog die Bilanz ihrer Verletzungen:
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