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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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der Bucht.
    »Carter hat dir eine Pistole gegeben, nicht wahr?« fragte Elizabeth, als Michael ins Schlafzimmer kam. Sie stand vor einem offenen Schrank und zog ein Flanellnachthemd heraus.
    Das Zimmer war dunkel bis auf die kleine Leselampe auf einem der Nachttische. Michael zeigte ihr die Browning. Er ließ das Magazin im Griff einrasten und betätigte die Sicherung, die leise klickte. »Ich hasse dieses Geräusch!« sagte Elizabeth beim Ausziehen.
    Sie zog sich das Nachthemd über und kroch unter die Decke.
    Michael stand am Fenster, rauchte eine Zigarette und sah auf die Bucht hinaus. Regentropfen klatschten an die Scheibe. Einer der Wachposten inspizierte die Schutzmauer am Strand im Licht seiner Taschenlampe.
    Elizabeth legte beide Hände auf ihren Unterleib. Ob mit den Babys alles in Ordnung war? Hör dich bloß reden, Elizabeth! Du nennst sie schon Babys, obwohl sie erst Zellansammlungen sind.
    Der Arzt hatte ihr empfohlen, sich nicht anzustrengen, möglichst viel zu liegen. Das hatte sie heute keineswegs getan. Sie war vor Terroristen geflüchtet, hatte stundenlang am Steuer gesessen und war an Bord eines Hubschraubers bei Sturm durch starke Turbulenzen geflogen. Sie drückte die Hände auf ihren Unterleib und dachte: Bitte, lieber Gott, laß es ihnen gutgehen.
    Sie sah zu Michael hinüber, der stramm wie eine Schildwache am Fenster stand.
    »Ich glaube, du wünschst dir tatsächlich, daß er's noch mal versucht.«
    »Nachdem er Max...«
    »Er hat heute auch dich zu ermorden versucht, Michael.«
    »Das habe ich nicht vergessen.«
    »Und Sarah?« fragte sie.
    Er gab keine Antwort.
    »Es ist völlig normal, an Rache zu denken, Michael. Aber Rache zu nehmen ist etwas ganz anderes. Das ist gefährlich.
    Und in diesem Fall lebensgefährlich. Ich hoffe für uns alle, daß er weit weg ist.«
    »Das widerspräche seinem Charakter. Das widerspräche seiner Ausbildung.«
    »Was widerspräche seinem Charakter, seiner Ausbildung?«
    »Aufzugeben. Wegzulaufen. Ich habe seine Akte gelesen. Ich weiß wahrscheinlich mehr über ihn als er selbst.«
    »Du vermutest, daß er hier ist, Michael?«
    »Ich weiß, daß er hier ist. Ich weiß nur nicht, wo.«

47
    NORTH HAVEN, LONG ISLAND
     
    Delaroche stieg aus dem Range Rover und starrte über den schmalen Kanal nach Shelter Island hinüber. Es war kurz vor Mitternacht. Die Fahrt von Washington hatte acht Stunden gedauert, weil Delaroche nie schneller als zulässig gefahren war.
    Er schlug seinen Jackenkragen gegen den vom Sturm gepeitschten kalten Regen hoch. Eine Fähre mit nur zwei Autos an Deck pflügte auf ihn zu; sie kämpfte gegen die starke Strömung, die durch den Shelter-Island-Sund zum offenen Wasser der Gardiner's Bay flutete. Vor der kleinen Fährstation stand ein beiger Geländewagen der hiesigen Polizei.
    Möglicherweise machte der Polizeibeamte nur seine Runde oder war auf einen Kaffee vorbeigekommen. Aber das bezweifelte Delaroche. Er nahm an, daß der Hafen überwacht wurde, weil Michael und Elizabeth Osbourne auf der Insel waren. Er ging zu dem Range Rover zurück, stieg ein und fuhr von der Anlegestelle weg. Unterwegs mußte er zweimal kleinen Rudeln von Weißschwanzhirschen ausweichen. Er bog auf einen unbefestigten Weg ab, der in ein Wäldchen führte. Dort, wo niemand sie sehen konnte, setzte er seine Lesebrille auf und entfaltete die große Long-Island-Karte, die er unterwegs an einer Tankstelle gekauft hatte. Astrid sah ihm dabei über die Schulter.
    North Haven war eine kleine Landzunge, die in den Shelter-Island-Sund hinausragte. Im Südosten lag der historische Walfanghafen Sag Harbor.
    »Die Polizei überwacht die Häfen«, sagte Delaroche. »Das bedeutet, daß die Osbournes vermutlich auf der Insel sind. Die Fähre verkehrt nur bis ein Uhr morgens. Danach fährt die Polizei weg, weil sie glaubt, daß wir nicht versucht haben, auf die Insel zu gelangen.«

    »Und wie kommen wir auf die Insel, wenn keine Fähre mehr verkehrt?«
    Delaroche tippte auf Sag Harbor. »Hier liegen Boote an den Kais und im Hafen. Wir stehlen eines und setzen über, sobald der Fährbetrieb eingestellt ist.«
    »Aber das Wetter ist schrecklich!« protestierte Astrid. »Es ist viel zu gefährlich, mit einem Boot rauszufahren.«
    »So schlimm ist das Wetter nicht.« Delaroche nahm seine Lesebrille ab und steckte sie wieder in seine Brusttasche. »In Breies würden sie das als einen schönen Morgen bezeichnen und zum Fischen rausfahren.«
    Delaroche parkte in Sag Harbor am

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