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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Bootshafen. Er stieg aus, Astrid blieb im Auto zurück. Die Stadt wirkte verschlafen, alle Geschäfte und Restaurants am Hafen waren geschlossen. Nach fünf Minuten hatte Delaroche gefunden, was er suchte, einen acht Meter langen Boston Whaler mit einem starken Johnson-Außenbordmotor. Er ging rasch zum Wagen zurück und packte zusammen, was sie brauchen würden: die Mobiltelefone, die Berettas, die wasserdichte Kleidung. Er schloß den Range Rover ab und steckte die Schlüssel ein.
    Sie gingen den Kai entlang und auf einen glitschigen Steg hinaus. Delaroche kletterte in den Whaler und half dann Astrid an Deck. Das Boot hatte einen kleinen Steuerstand und vorn und achtern mehrere Sitzreihen. Delaroche schloß die Zündung kurz und ließ den Außenbordmotor an.
    Er kletterte auf den Steg, machte die Leinen los, sprang wieder ins Boot, legte ab und stieß rückwärts ins Fahrwasser hinaus. Das Boot pochte unter seinen Füßen, als er mit kleiner Fahrt durch den Hafen lief. Nach zehn Minuten erreichten sie die Gewässer der Gardiner's Bay.
    Fünf Minuten später fürchtete Delaroche, Astrid habe recht gehabt. In der Bai heulte der Sturm mit vierzig Knoten aus Nordwesten. Die Temperatur fiel auf wenige Grad über Null, aber Sturm und Regen ließen sie weit niedriger erscheinen. Das Cockpit des Whalers war offen, so daß Astrid und Delaroche schnell völlig durchnäßt waren. Obwohl er Handschuhe trug, konnte er mit seinen vor Kälte starren Händen kaum noch steuern. Astrid klammerte sich an seinen Arm und verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter.
    Die Nacht war stockfinster, kein Mond, keine Sterne, nichts, wonach er hätte navigieren können. Delaroche ließ seine eigenen Positionslichter ausgeschaltet, um nicht entdeckt zu werden. Bis zu eineinhalb Meter hohe Wellen brandeten gegen den Whaler und warfen das kleine Boot, das nicht viel Tiefgang hatte, wild hin und her. Astrid wandte sich zweimal ab, um sich auf dem Achterdeck zu übergeben.
    Delaroche lief bis auf zweihundert Meter an die Küste heran und steuerte genau nach Norden. Backbords war schemenhaft bewaldetes Land zu erkennen. Aus der Karte wußte Delaroche, daß dort das riesige Naturschutzgebiet Mashomack Preserve lag.
    Als er bei Nichols Point fast auf Grund gelaufen wäre, hielt er etwas mehr nach Steuerbord, um von der Küste wegzukommen.
    Kurze Zeit später erkannte er Reel Point, eine schmale Landzunge an der Einfahrt zu Coecles Harbor. Er wußte, daß er seinem Ziel näherkam.
    Sie umrundeten Ram Head und gingen auf Nordwestkurs in Richtung Cornelius Point. Der Seegang wurde höher und verringerte ihre Fahrt auf Fußgängertempo. Mit jeder Woge, die unter dem Whaler hindurchlief, richtete sein Bug sich steil auf, um dann ins nächste Wellental zu klatschen. Einmal verlor Astrid den Halt und fiel nach vorn gegen das Instrumentenbrett.
    Als sie sich aufrichtete, hatte sie eine blutende Wunde an der Stirn.
    Backbords konnte Delaroche Cornelius Point ausmachen: vorgelagerte Felsen, die schemenhaften Umrisse eines großen Ferienhauses. Er umrundete die Landspitze und steuerte etwas weiter nach Backbord. Steuerbords waren die in Gischt und Regen verschwimmenden Lichter von Greenport zu sehen.
    Kurze Zeit später passierten sie Hay Beach Point. Delaroche ging auf Südwestkurs und folgte dem Strand einige hundert Meter weit. Dann drehte er scharf nach Backbord ein, nahm etwas Gas weg und hielt auf die Küste zu.
    Cannon Point lag ungefähr einen halben Kilometer von ihrer Landestelle entfernt. Delaroche wußte, daß sie den Strand lautlos erreichen würden, weil der Sturm alle Geräusche davontragen würde. Er stellte den Motor ab und kippte ihn, damit die Schraube aus dem Wasser kam. Einige Sekunden später lief der Whaler nur wenige Meter vom Strand entfernt auf Grund.
    Delaroche sprang ins knietiefe eisige Wasser und watete an Land. Er schob seinen Jackenärmel zurück und schaute auf die Uhr: kurz vor zwei. Sie waren etwa neunzig Minuten auf dem Wasser gewesen, aber als er die Bugleine an einem umgestürzten Baum festmachte, hatte er das Gefühl, die halbe Nacht hinter dem Steuerrad gestanden zu haben. Er watete zurück, holte seinen Rucksack und half Astrid an Land. Am Strand zog er den Rucksackreißverschluß auf, holte die Berettas mit Schalldämpfer heraus und hielt ihr eine davon hin.
    Der Regen prasselte auf sie herab, während Delaroche sich orientierte. Der Strand führte direkt nach Cannon Point. Er war felsig und schmal, an manchen Stellen kaum

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