Der Maler
unsere Informationen über Oktober so restriktiv gehandhabt worden?« fragte Michael.
»Um die Identität der Quelle zu schützen, nehme ich an. Das ist meistens so.«
»Verdammt, Sarah Randolph ist vor meinen Augen erschossen worden! Warum hat mir niemand in diesem Scheißladen die Akte gezeigt und mir geholfen, den Kerl zu erledigen?«
»Weil das die vernünftige Lösung gewesen wäre. Aber Vernunft und Geheimdienstarbeit sind selten vereinbar. Das müßtest du doch inzwischen wissen.«
»Wie bist du an das Zeug rangekommen?«
»Vor einigen Jahren hat es Hinweise darauf gegeben, daß Oktober jetzt freiberuflich arbeitet«, antwortete Carter. »Die Akte ist abgestaubt und einem sehr beschränkten Kreis zugänglich gemacht worden.«
»Du hast sie sehen dürfen?«
Carter nickte.
»Verdammt noch mal, Adrian! Während ich versucht habe, das Puzzle aus vagen Hinweisen und Vermutungen zusammenzusetzen, hast du die ganze Zeit alles gewußt. Warum hast du mir nichts erzählt?«
Carter machte ein Gesicht, das wohl besagen sollte, die Geheimdienstarbeit erfordere es, manchmal auch Freunde zu belügen. »Das sind die Vorschriften, nach denen wir leben, Michael. Sie schützen Menschen, die ihr Leben riskieren, indem sie ihr Land verraten. Sie schützen Leute wie dich, die unter falschem Namen im Ausland arbeiten.«
»Warum hast du jetzt gegen die Vorschriften verstoßen und mir die Akte gegeben?«
»Weil die Vorschrift in diesem Fall beschissen ist. Sie ist unsinnig.«
»Wer hat angeordnet, daß der Zugang zur Akte Oktober weiter beschränkt bleibt?«
Carter wies mit dem Daumen auf das Faktotum vor seiner Tür und flüsterte: »Monica Tyler.«
Elizabeth rief endlich an, und die Vermittlung für Notfälle stellte das Gespräch in Carters Büro durch.
»Wie ist's gelaufen? Bei dir alles in Ordnung?«
»Mir geht's gut«, sagte sie. »Ich habe alles so gemacht, wie du's gesagt hast. Dein Koffer hat tadellos funktioniert. Die Puppe sieht dir sogar ein bißchen ähnlich. Ich rufe vom Auto aus an. Ich halte mich genau an deine Anweisungen.«
Michael grinste zutiefst erleichtert.
»Gott sei Dank!« sagte er.
»Hast du schon von Max gehört?«
»Nein, noch nicht. Er müßte jeden Augenblick kommen.«
Carters Sekretärin steckte ihren Kopf zur Tür herein und sagte, eben sei ein weiterer Anruf gekommen. Carter ging ins Vorzimmer und nahm ihn an ihrem Apparat entgegen.
»Elizabeth, ich bin stolz auf dich«, sagte Michael. »Ich liebe dich so sehr.«
»Ich liebe dich auch, Michael.« Nach kurzer Pause fragte sie:
»Ist dieser Alptraum bald vorbei?«
»Noch nicht, aber bald. Fahr erst mal weiter. Wir überlegen uns, wie und wann wir dich abholen lassen.«
»Ich liebe dich, Michael«, wiederholte sie, dann war die Verbindung unterbrochen.
Carter kam in sein Büro zurück. Er war leichenblaß. Michael legte den Hörer auf und fragte: »Was ist passiert?«
»Max Lewis und ein Verkehrspolizist sind soeben auf dem George Washington Parkway erschossen worden.«
46
WASHINGTON, D.C.
Delaroche fuhr über die Key Bridge nach Georgetown zurück.
Er rauschte die M Street entlang und hielt in der Einfahrt des Hotels Four Seasons. Während Astrid ins Hotel ging, um ihr Gepäck zu holen, wartete er in dem Range Rover. So ha tte er einen Augenblick Zeit, sich zu sammeln und den nächsten Schritt zu planen.
Am einfachsten wäre es gewesen, das Unternehmen abzubrechen - ein Anruf, damit sie hier herausgeholt wurden und das Land verlassen konnten, bevor sie verhaftet wurden.
Delaroche war sich ziemlich sicher, daß es keine Zeugen für den Doppelmord auf dem Parkway gab; der Vorfall hatte nur Sekunden gedauert, und sie waren weitergefahren, bevor ein anderes Auto am Tatort vorbeigekommen war. Aber er hatte bereits versucht, Michael Osbourne zu ermorden, der jetzt natürlich gewarnt war. Das bewies der Trick mit der Gummipuppe, mit der seine Frau sie getäuscht hatte. Die Durchführung seines Auftrags, Osbourne zu beseitigen, würde jetzt sehr schwierig werden.
Trotzdem wollte Delaroche aus zwei Gründen weitermachen.
Der erste war das Geld. Liquidierte er Osbourne nicht, verlor er eineinhalb Millionen Dollar. Er wollte mit Astrid bis an sein Lebensende ohne Geld-und Sicherheitsprobleme leben. Dafür brauchte er viel Geld; Geld für den Kauf einer Villa mit großem Grundstück und modernster Alarmanlage; Geld für Bestechungszahlungen an die örtliche Polizei, damit kein westlicher Geheimdienst sie entdecken würde.
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