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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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der Anzüge trägt, die er sich nicht leisten kann.
    Aber Carter war ein Besessener, der sich allem, womit er sich befaßte, konzentriert widmete - seiner Arbeit, seiner Familie, seinem Jazz. Seine neueste Leidenschaft war Golf, und er übte in dem kleinen Glaskasten, der sein Büro war, unermüdlich mit Plastikgolfbällen. Einmal hatte Michael einen echten Golfball zwischen diese federleichten Bälle geschmuggelt. Carter hatte ihn bei einem Gespräch mit Monica Tyler und dem Direktor prompt durchs Fenster seines Büros geschlagen. Am nächsten Tag hatte er von der Personalabteilung die Reparaturrechnung und eine Ermahnung bekommen.
    »Manchmal macht sie mich schier wahnsinnig«, murmelte Carter halblaut. Er war Michaels Führungsoffizier gewesen, als Michael ohne offizielle Legende gearbeitet hatte und nicht in die Botschaften kommen konnte. Selbst jetzt, wo sie dem Westparkplatz der Zentrale zustrebten, verhielten sie sich wie bei einem Agententreff unter feindlicher Überwachung. »Sie hält Nachrichtenbeschaffung für ebenso leicht wie die Ermittlung eines Quartalsgewinns.«
    »Sie genießt das absolute Vertrauen des Direktors und sollte deshalb vorsichtig behandelt werden.«

    »Hör dir das an - du redest plötzlich wie ein Mann aus der Zentrale.«
    Michael warf seine Zigarette ins Dunkel.
    »Irgendwas ist an diesem Anschlag nicht koscher.«
    »Über die Tatsache hinaus, daß zweihundertfünfzig Menschen tot auf dem Meeresboden liegen?«
    »Die Leiche in dem Boot ist unerklärlich.«
    »Nichts an dieser Sache ist erklärlich.«
    »Und mir ist noch was aufgefallen.«
    »O Gott! Darauf habe ich schon gewartet.«
    »Wie Mahmoud getötet wurde. Mit drei Schüssen ins Gesicht.«
    Sie blieben stehen. Carter wandte sich Osbourne zu.
    »Michael, laß dir einen guten Rat geben. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, wieder Jagd auf deinen Schakal zu machen.«
    Sie gingen schweigend bis zu Michaels Wagen.
    »Wieso fährst du einen silbergrauen Jaguar und lebst in Georgetown, während ich einen Honda Accord fahre und in Reston lebe?«
    »Weil ich eine bessere Legende habe als du und mit einer reichen, prominenten Anwältin verheiratet bin.«
    »Du bist der größte Glückspilz, den ich kenne, Osbourne. An deiner Stelle würde ich das nicht aufs Spiel setzen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt, daß geschehene Dinge nicht zu ändern sind. Fahr nach Hause und sieh zu, daß du etwas Schlaf bekommst.«
    Michaels Vater hatte die Agency am Schluß gehaßt, aber davor hatte er seinem Sohn absichtlich oder unabsichtlich alles mitgegeben, was ein perfekter Geheimdienstmann brauchte. Die Agency wurde auf Michael aufmerksam, als er im dritten Jahr am Dartmouth College studierte. Der Talentsucher war ein Professor für amerikanische Literatur, der nach dem zweiten Weltkrieg in Berlin für die Agency gearbeitet hatte. Er erkannte, daß dieser nachlässig gekleidete, bärtige Student alle Voraussetzungen für einen perfekten CIA-Offizier erfüllte: Intelligenz, Führungseigenschaften, Charisma, Haltung und Sprachtalent.
    Der Professor wußte allerdings nicht, daß Michaels Vater beim Geheimdienst gearbeitet hatte und daß Michael und seine Mutter ihn auf alle Auslandsposten begleitet hatten. Bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr sprach er fünf Sprachen und kannte alle Winkel von Beirut, Rom oder Budapest wie seine Hosentasche. Als die Agency ihn erstmals ansprach, lehnte er dankend ab. Er wußte, was der Job seinen Vater gekostet und welchen Tribut er von seiner Mutter verlangt hatte.
    Aber die Agency wollte ihn und ließ nicht locker. Michael ließ sich nach Abschluß seines Studiums doch anwerben, weil er keine Stellung in Aussicht und keine bessere Idee hatte. Seine Ausbildung erhielt er in Camp Perry, der als »Farm« bekannten CIA-Ausbildungsstätte bei Williamsburg in Virginia. Dort lernte er Agenten anwerben und führen. Er lernte die Kunst der verdeckten Kommunikation. Er lernte, wie man merkt, daß man von der anderen Seite beschattet wird. Er lernte Selbstverteidigung und defensives Autofahren.
    Nach einjähriger Ausbildung erhielt er von der Agency eine falsche Identität, einen Decknamen für den Dienstgebrauch und einen einfachen Auftrag: Er sollte die gewalttätigsten Terrororganisationen der Welt infiltrieren.
    Die Autobahn war fast leer. Die hohen Bäume auf beiden Seiten der Straße bogen sich im stürmischen Wind, und ein heller Mond schien durch die Wolkenlücken. Michael sah automatisch mehrmals in den

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