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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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keine verfrühten Hoffnungen machen, Michael, aber ich würde mir nie verzeihen, wenn wir nicht alles versuchen würden.«
    »Du hast recht.«
    »Das bedeutet, daß wir eine Weile in New York leben müßten. Ich werde alles arrangieren, daß ich in unserem Büro in Manhattan arbeiten kann. Dad bleibt solange auf der Insel, damit wir die Wohnung für uns haben.«
    »Ich rede mit Carter; ich kann meine Arbeit auch in New York erledigen. Vielleicht muß ich ab und zu mal nach Washington, aber das ist sicher kein Problem.«
    »Danke, Michael. Entschuldige, daß ich dich so angefahren habe. Ich bin nur so wahnsinnig wütend auf dich gewesen.«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist meine Schuld gewesen.«
    »Ich weiß, worauf ich mich eingelassen habe, als ich dich geheiratet habe. Ich weiß, daß ich nichts an deiner Arbeit ändern kann. Aber manchmal wünsche ich mir, du wärst öfter hier. Ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen. Ich habe das Gefühl, wir laufen uns morgens eher zufällig über den Weg, und abends ist es nicht viel anders.«
    »Wir könnten unsere Jobs aufgeben.«
    »Das können wir nicht.« Sie küßte ihn. »Komm ins Bett. Es ist schon spät.«
    Michael stand auf und ging in das große Bad. Er zog sich ganz aus, wusch sich das Gesicht und putzte sich die Zähne, ohne sich im Spiegel zu betrachten. Im Schlafzimmer brannte kein Licht mehr, als er zurückkam, aber Elizabeth saß noch immer im Bett und hatte ihre Arme wieder um die Knie geschlungen.
    »Ich seh's auf deinem Gesicht, weißt du.«
    »Was?«
    »Diesen Ausdruck.«
    »Welchen Ausdruck?«
    »Diesen Ausdruck, wenn irgend wo jemand ermordet worden ist.«
    Michael schlüpfte unter die Decke und stützte sich auf einen Ellbogen, um sie anschauen zu können.
    »Ich sehe diesen Ausdruck in deinen Augen«, sagte Elizabeth,
    »und frage mich, ob du wieder an sie denkst.«
    »Ich denke nicht an sie, Elizabeth.«

    »Wie hat sie geheißen, Michael? Du hast mir nie ihren Namen gesagt.«
    »Sie hat Sarah geheißen.«
    »Sarah«, wiederholte Elizabeth. »Sehr hübscher Name, Sarah. Hast du sie geliebt?«
    »Ja, ich habe sie geliebt.«
    »Liebst du sie noch?«
    »Ich liebe dich.«
    »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    »Nein, ich liebe sie nicht mehr.«
    »O Gott, du bist ein miserabler Lügner. Ich dachte, Spione müßten hervorragende Lügner sein.«
    »Ich belüge dich nicht. Ich habe dich nie belogen. Ich habe dir immer nur Dinge verschwiegen, die ich dir nicht erzählen darf.«
    »Denkst du manchmal an sie?«
    »Ich denke manchmal an ihr Schicksal, aber ich denke nicht an sie.«
    Elizabeth glitt tiefer, drehte sich auf die Seite und kehrte ihm den Rücken zu. Trotz der Dunkelheit sah Michael ihre Schultern zucken. Als er seine Hand ausstreckte, um sie zu berühren, murmelte sie: »Entschuldige, Michael. Entschuldige bitte.«
    »Warum weinst du, Elizabeth?«
    »Weil ich wütend auf dich bin, und weil ich dich liebe. Weil ich ein Kind von dir möchte und mich schrecklich davor fürchte, was geschehen wird, wenn ich keines bekommen kann.«
    »Was soll geschehen? Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.«
    »Du liebst sie nicht mehr, stimmt's, Michael?«
    »Ich liebe dich, Elizabeth, dich allein.«
    Sie drehte sich im Dunkel um und zog sein Gesicht zu ihrem heran. Er küßte ihre Stirn und wischte die Tränen aus ihren Augen. Er hielt sie lange in seinen Armen und horchte auf den Wind in den Bäumen vor dem Schlafzimmerfenster, bis ihr ruhiger Atem verriet, daß sie eingeschlafen war.

7
    IM WEISSEN HAUS

    Anne Beckwith legte Wert darauf, daß beim Abendessen nicht über Politik gesprochen wurde. Die Politik bestimmte ihr Leben, seit der Apparat der Republikanischen Partei ihren Mann vor fünfundzwanzig Jahren in Kalifornien für sich vereinnahmt hatte, und deswegen bestand sie darauf, daß jeden Abend wenigstens diese eine Stunde politikfrei blieb. Sie dinierten in den Privaträumen des Weißen Hauses: der Präsident, die First Lady und Mitchell Elliott. Anne hatte eine Vorliebe für italienische Küche und glaubte insgeheim, die USA wären ein besseres Land, wenn »wir etwas mehr wie die Italiener und weniger wie Amerikaner wären«. Um seiner politischen Karriere willen hatte Beckwith Anne gebeten, solche Ansichten für sich zu behalten. Er widerstand auch Annes Wunsch, jeden Sommer in Europa Urlaub zu machen, und wählte statt dessen »amerikanischere« Urlaubsorte. Diesen Sommer hatten sie Urlaub in Jackson Hole gemacht,

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