Der Maler
Böenfront vor dem Leuchtturm Montauk gekentert. Cannon war von der Küstenwache gerettet worden, und die Bootsbergung hatte ihn zehntausend Dollar gekostet. Nach diesem Vorfall hatte Elizabeth ihren Vater gebeten, nicht mehr allein zu segeln.
»Unzutreffender Seewetterbericht«, sagte Cannon. »Ich habe den Direktor des Nationalen Wetterdienstes angerufen und ihm die Meinung gesagt.«
Michael blies sich in seine kältestarren Hände. »Jesus, im Wind sind's bestimmt zehn Grad unter Null.«
»Sogar fünfzehn Grad. Ich hab' nachgefragt.«
»Du bist verrückt! Wüßten die Wähler von deinem Todeswunsch, hätten sie dich nie in den Senat gewählt.«
»Laß das Meckern, Michael. Unten in der Pantry steht eine Thermoskanne. Mach dich nützlich und hol uns beiden einen Becher Kaffee.«
Michael schwankte den Niedergang hinunter. Der Senator war auf praktisch jedem Schiff der U.S. Navy gewesen, und in der Pantry stand eine ganze Sammlung massiver Kaffeebecher mit den Wappen verschiedener Schiffe. Michael wählte zwei Becher von Bord des Atom-U-Boots West Virginia aus und füllte sie mit dampfendem Kaffee.
Als Michael wieder nach oben kam, rauchte Cannon eine Zigarette. »Davon darf Elizabeth nichts erfahren«, sagte er, als er seinen Becher entgegennahm. »Wüßte sie, daß ich ab und zu heimlich eine rauche, würde sie alle Läden auf der Insel anweisen, mir keine zu verkaufen.«
Cannon nahm vorsichtig einen Schluck Kaffee und korrigierte seinen Kurs etwas. »Also, was hältst du von der Wahl?«
»Beckwith hat erstaunlich aufgeholt.«
»Alles Bockmist, wenn du mich fragst. Er hat die Sache mit dem Flugzeugabschuß von Anfang an politisch ausgeschlachtet, und der amerikanische Wähler ist zu gelangweilt und zu abgelenkt gewesen, um das zu merken. Ich stehe voll hinter ihm, was die Vergeltungsmaßnahmen betrifft, aber sein neues System zur Raketenabwehr ist meiner Ansicht nach ein Gefallen, den er alten Freunden tut, die ihn seit vielen Jahren unterstützt haben.«
»Du kannst nicht leugnen, daß die Bedrohung existiert.«
»Klar, die Bedrohung existiert. Aber wollten wir versuchen, unser Land vor jeder nur denkbaren Bedrohung zu schützen, wären wir bald pleite. Das Militär und - sorry, Michael - die Geheimdienste haben noch kein neues Spielzeug gesehen, das ihnen nicht gefallen hat oder das sie nicht haben wollten. Kongreß und Präsident haben zu entscheiden, welche sie brauchen und welche nicht. Und welche wir uns leisten können.«
»Wie kommst du auf die Idee mit dem Gefallen?«
»Weil Mitchell Elliott in Washington mehr Geld verteilt hat als jeder andere Amerikaner. Er schöpft seinen gesetzlichen Spendenrahmen aus, und wenn er noch mehr geben will, verteilt er das Geld unterm Tisch. Den größten Vorteil aus Elliotts Großzügigkeit hat natürlich James Beckwith gezogen. Er hat sich seine politische Karriere praktisch von Elliott finanzieren lassen.«
Michael dachte an Susanna Dayton und ihre Story, für die sie im Auftrag der Post recherchierte.
»Und noch etwas darfst du nicht vergessen«, fuhr Cannon fort. »Paul Vandenberg, der Stabschef des Weißen Hauses, hat früher bei Alatron gearbeitet. Elliott hat ihn zu Beckwith abgeordnet, als er kalifornischer Justizminister geworden war.
Mit seinem scharfen Blick für Talente hat er erkannt, daß Beckwith das Potential hatte, ins Weiße Haus aufzusteigen. Er wollte seinen Mann dort einschleusen, und das ist ihm gelungen.« Cannon zog an der Zigarette. Der Wind riß den Rauch von seinen Lippen. »Außerdem hat Vandenberg früher bei deiner Firma gearbeitet.«
Michael war perplex. »Wann?«
»Im Vietnamkrieg.«
»Ich dachte, er sei in der Army gewesen.«
Cannon schüttelte den Kopf. »Nö, Agency, durch und durch.
Er hat dort übrigens am Unternehmen Phönix mitgearbeitet. Du erinnerst dich an Phönix, nicht wahr, Michael? Nicht gerade ein Ruhmesblatt deiner Firma.«
Zweck des Unternehmens Phönix war die Identifizierung und Ausschaltung des kommunistischen Einflusses in Südvietnam gewesen. Im Rahmen dieses Großunternehmens sollen achtundzwanzigtausend mutmaßliche Kommunisten gefangengenommen und weitere zwanzigtausend ermordet worden sein.
»Du kennst doch die Redensart: ›Einmal ein Firmenmann, immer ein Firmenmann‹, stimmt's? Warum gibst du den Namen Vandenberg nicht mal in euren Supercomputer in Langley ein und schaust, ob was rauskommt?«
»Glaubst du, daß der Raketendeal nicht sauber ist?«
»Ich habe die Testberichte gelesen.
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