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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Karibiksonne genießen wollte, machte in einem Liegestuhl am Swimmingpool ein Nickerchen. Schamron und der Droge nbaron begaben sich zu einem Revanchespiel auf den Tennisplatz, denn Schamron hatte das erste Match überlegen gewonnen, und der Drogenbaron dürstete nach Rache. Am späten Vormittag fuhren sie mit den Range Rovers den Berg hinunter. Der Direktor verließ die Villa mittags mit dem Sicherheitsteam. Als er eine halbe Stunde später an Bord seines Privatjets ging, erschütterte eine Serie von Detonationen das Gebäude, und die Luxusvilla in den Bergen der Insel Sankt Maarten brannte bis auf die Grundmauern nieder.

13
    BRÉLÈS, BRETAGNE
     
    Er hatte den Namen Jean-Paul Delaroche angenommen, aber die Dorfbewohner nannten ihn »le Solitaire«. Niemand konnte sich daran erinnern, wann er angekommen war und sich in dem bunkerartigen kleinen Steinhaus, das auf einem Felsvorsprung mit Blick über den Kanal gebaut war, niedergelassen hatte.
    Monsieur Didier, der rotgesichtige Besitzer des Lebensmittelgeschäfts, war der Überzeugung, er sei vom Wind verrückt geworden. Auf dem abgelegenen Felsen des Einsiedlers wehte der Wind so stark wie unaufhörlich. Er ließ die Fenster seines kleinen Hauses Tag und Nacht klappern und riß methodisch Platten aus dem Schieferdach. Nach heftigen Stürmen konnten Vorbeikommende manchmal einen Blick auf le Solitaire erhaschen, der ruhelos die Schäden begutachtete.
    »Wie Rommel bei der Inspektion seines kostbaren Atlantikwalls«, pflegte Didier dann hämisch grinsend bei einem Cognac im Café zu flüstern.
    War er ein Schriftsteller? War er ein Revolutionär? War er ein Kunstdieb oder ein gefallener Priester? Mlle. Plauché von der Charcuterie hielt ihn für den letzten Überlebenden einer steinzeitlichen Menschenrasse, die Jahrtausende vor den Kelten in der Bretagne gelebt hatte. Weshalb hätte er sonst seine Tage damit verbracht, mit den uralten Steinen zu kommunizieren?
    Weshalb hätte er sonst stundenlang dagesessen und zugesehen, wie die See an die Felsen brandete? Weshalb hätte er sich sonst Delaroche genannt? Er hat schon mal hier gelebt, verkündete sie mit dem Messer über einer Brietorte. Er denkt darüber nach, wie's früher gewesen ist.
    Die Männer waren neidisch auf ihn. Die älteren beneideten ihn um die schönen Frauen, die in sein Haus kamen, einige Zeit blieben und dann unauffällig abreisten, um irgendwann durch eine andere ersetzt zu werden. Die Dorfjugend beneidete ihn um das nach seinen Angaben gebaute italienische Rennrad, auf dem er jeden Morgen einem Dämon gleich über die schmalen Nebenstraßen des Finistère raste. Die Frauen, die jungen wie die älteren, fanden ihn schön: das graumelierte kurze Haar, der helle Teint, die leuchtend grünen Augen, die wie von Michelangelo gemeißelte gerade Nase.
    Er war kein großer Mann, deutlich unter einem Meter achtzig, aber er hielt sich wie einer, wenn er nachmittags durchs Dorf ging, um seine Einkäufe zu machen. In der Boulangerie versuchte Mlle. Trevaunce jedesmal vergeblich, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber er lächelte nur und wählte mit höflichen Worten sein Brot und seine Croissants aus. Beim Weinhändler war er als kenntnisreicher, aber sparsamer Kunde bekannt. Schlug Monsieur Rodin eine teurere Flasche vor, zog er die Augenbrauen hoch, um anzudeuten, so viel könne er sich nicht leisten, und gab sie vorsichtig zurück.
    Auf dem Markt wählte er Gemüse, Fleisch, Austern und Fisch mit der pedantischen Umständlichkeit der Küchenchefs großer Restaurants und guter Hotels aus. An manchen Tagen brachte er seine gegenwärtige Frau mit, immer eine von außerhalb, nie eine Bretonin aus der Umgebung. An manchen Tagen kam er allein.
    An manchen Tagen wurde er aufgefordert, sich zu den Männern zu setzen, die den Nachmittag bei Rotwein, Ziegenkäse und Kartenspiel verbrachten. Aber der Einsiedler deutete jedesmal hilflos auf seine Uhr, als habe er anderswo dringende Verpflichtungen, stapelte seine Einkäufe in seinem klapprigen beigen Mercedes-Kombi und fuhr zu seinem Bunker über dem Meer.
    Als ob Zeit in Breies wichtig wäre, pflegte Didier mit seinem üblichen hämischen Lächeln zu sagen. Das kommt vom Wind, fügte er hinzu. Der Wind hat ihn verrückt gemacht.
    Der Novembermorgen war hell und klar mit böigem Seewind, als Delaroche die schmale Küstenstraße entlangradelte. Er war von Brest aus nach Westen in Richtung Pointe de Saint Mathieu unterwegs. Über seiner kurzen Radlerhose trug er eine

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