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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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verkaufen, war ihr völlig unverständlich. Sie fragte nur, wohin er fahre und wann er zurückkomme.
    Adrian Carter war sein Führungsoffizier. Michael hätte ihm und der Personalabteilung sein Verhältnis mit Sarah melden müssen. Aber sie hätten ihre Vergangenheit überprüft - ihre politischen Ansichten, ihre Arbeit, ihre Freunde, ihre Liebhaber - und womöglich Dinge ausgegraben, die Michael lieber nicht wissen wollte. Also hielt er Sarah vor der Agency und die Age ncy vor Sarah geheim. Er fürchtete, daß sie ihn verlassen würde, wenn er ihr die Wahrheit sagte. Er fürchtete, daß Sarah ihren Freunden von seiner Arbeit erzählen würde, was seine in London aufgebaute Tarnung gefährdet hätte. Er belog seinen Arbeitgeber und seine Geliebte. Er war zur selben Zeit glücklich und unglücklich.
    Er war kurz vor Oxford. Seit etwa zwanzig Meilen folgte ihm ein weißer Ford-Lieferwagen in stets gleichem Abstand. Es war möglich, daß der Ford nur zufällig in dieselbe Richtung fuhr, aber Michael war eingebleut worden, nicht an Zufälle zu glauben. Er fuhr langsamer und ließ sich von anderen Wagen überholen.
    Der Ford behielt seinen Abstand bei.
    Vor ihm tauchte eine Raststätte auf. Er verließ die Autobahn und parkte vor dem Restaurant. Der Ford folgte ihm und fuhr zur Tankstelle. Der Fahrer stieg aus und prüfte den Reifendruck vorn rechts, während er den Rover im Auge behielt. Michael überlegte, wer ihn beschatten ließ. Wheaton von der London Station? Graham Seymours MI6?
    Er ging ins Café, bestellte ein Schinken-Eier-Sandwich und einen Kaffee und ging auf die Toilette. Anschließend holte er seine Bestellung ab und ging nach draußen. Der Ford stand noch immer an der Tankstelle; der Fahrer war gerade dabei, den Reifendruck hinten links zu prüfen.
    Michael betrat eine Telefonzelle und rief im Hotel an. Er erklärte der Rezeptionistin, er habe im Bad zwei wertvolle Manschettenknöpfe liegen lassen. Er gab eine falsche Adresse in Miami an, die sie pflichtbewußt mitschrieb, während er weiter den Ford beobachtete. Dann hängte er ein und stieg wieder in seinen Rover. Er startete, verließ die Raststätte und ordnete sich in den Verkehr auf der Autobahn ein. Während er sein Sandwich aß, sah er mehrmals in den Rückspiegel.
    Der Ford hielt den gleichen Abstand wie zuvor.
    Der Wagen folgte Michael bis nach Moretonin-Marsh, einem für Gloucestershire großen Dorf an der Kreuzung der Fernstraßen A44 und A429. Er bog auf den Parkplatz einer Ladenzeile ab und stieg aus. Der Ford parkte fünfzig Meter weit entfernt. Das Café lag neben einem Fleischer, der erlegte Fasane an der Ladentür hängen hatte. Michael erinnerte sich an Sarah, die ihm mit einem Teller Reis mit Bohnen und gelbem Kürbis gegenübersaß und angewidert beobachtete, wie er das Fleisch von den Knochen eines gebratenen Cotswolds-Fasans riß. Er betrat das Café, bestellte bei dem molligen Mädchen hinter der Theke einen Kaffee und Kuchen und nahm Platz.
    Michael kannte Iwan Drosdow von CIA-Fotos. Er war bis auf einen tonsurartigen grauen Haarkranz kahl und beugte seinen langen Oberkörper über einen Stapel Morgenzeitungen. Eine goldgeränderte Lesebrille saß tief unten auf seiner markanten Nase; die grauen Augen waren gegen den Rauch der zwischen seinen Lippen hängenden Zigarette zusammengekniffen. Er trug einen grauen Rollkragenpullover und eine grüne Wachsjacke mit Cordsamtkragen. Zwei identische Corgis putzten sich neben Gummistiefeln, an denen frischer Schlamm klebte.
    Michael nahm seine Tasse und den Teller und setzte sich damit an den Nebentisch. Drosdow sah auf, lächelte flüchtig und vertiefte sich wieder in seine Zeitungen. Einige Minuten vergingen, während Michael seinen Kaffee trank und Drosdow die Times las und rauchte.
    Ohne den Kopf zu heben, fragte Drosdow schließlich:
    »Wollen Sie irgendwann reden, oder wollen Sie nur dasitzen und meine Hunde ärgern?«
    »Ich heiße Carl Blackburn«, sagte Michael überrascht, »und hätte Sie gern kurz gesprochen.«
    »In Wirklichkeit heißen Sie Michael Osbourne und arbeiten im CIA-Zentrum für Terrorismusbekämpfung in Langley, Virgina. Sie sind im Außendienst gewesen, bis Ihre Geliebte in London ermordet worden ist und die Agency Sie abgezogen hat.«
    Drosdow faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und fütterte seine Hunde mit einem Rest Kuchen.
    »Wenn Sie etwas mit mir besprechen möchten, sollten wir einen Spaziergang machen«, schlug er vor. »Aber belügen Sie mich nicht

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