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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Gesicht ist nie richtig zu sehen gewesen.«
    »Ich muß sein Gesicht nicht sehen. Ich habe gesehen, wie er mit einer Waffe umgeht. Er ist's, Graham. Darauf wette ich meinen Kopf.«
    »Ich weiß, daß ich das nicht zu sagen brauche, Michael, aber auch diesmal gelten die üblichen Regeln. Diese Informationen sind nur für dich persönlich bestimmt. Du darfst sie weder an deine Kollegen noch an andere Dienste weitergeben.«
    »Ich unterschreibe sogar eine Verpflichtungserklärung, wenn es dich erleichtert.«
    Michael schlug den Mantelkragen hoch und vergrub die Hände in den Taschen. Der Regen hatte aufgehört, und er hatte das Bedürfnis, zu Fuß ins Hotel zurückzugehen. Graham hatte vorgeschlagen, ihn die Hälfte des Weges zu begleiten. Er wußte aus Erfahrung, daß ein kurzer Spaziergang dazu beitrug, die schlimmen Nachwirkungen von Helens Kochkünsten zu minimieren. Die Freunde gingen durch die georgianischen Häuserschluchten von Belgravia, in denen das ferne Rauschen des Abendverkehrs auf der King's Road das einzige Geräusch war.
    »Ich möchte mit Drosdow reden«, sagte Michael.
    »Mit dem kannst du nicht reden. Drosdow ist für dich verboten. Außerdem sagt er, daß er nichts mehr zu erzählen hat und seine Tage in Frieden beschließen will.«
    »Ich habe eine Theorie in bezug auf den Killer, der Yardley erschossen ha t, und möchte ihn danach fragen.«
    »Drosdow ist unser Überläufer. Wir haben euch alle Ergebnisse seiner Vernehmungen mitgeteilt. Versuchst du, selbst mit ihm zu reden, bekommst du ernstliche Probleme mit beiden Diensten.«
    »Gut, dann rede ich eben inoffiziell mit ihm.«

    »Wie stellst du dir das vor, Michael? Willst du ihm zufällig über den Weg laufen und sagen: ›Hey, Augenblick mal! Sind Sie nicht Iwan Drosdow, der ehemalige KGB-Killer? Haben Sie was dagegen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle?‹ Unsinn, Michael.«
    »Ich hatte an eine etwas subtilere Methode gedacht.«
    »Geht die Sache schief, leugne ich jegliche Beteiligung. Ich beschuldige dich sogar, ein russischer Spion zu sein.«
    »Weniger hätte ich nicht erwartet.«
    »Er lebt in den Cotswolds, in Aston Magna, einem kleinen Ort. Er trinkt jeden Morgen seinen Tee in einem Café in Moreton.«
    »Das kenne ich gut«, sagte Michael.
    »Er ist der mit den Corgies und dem knorrigen Spazierstock.
    Liest dort die Zeitungen. Sieht englischer aus als Prinz Philip.
    Du kannst ihn nic ht verfehlen.«
    Graham Seymour begleitete Michael bis zur Sloane Street, bevor er sich verabschiedete und zum Eaton Place zurückging.
    Michael hätte nach Norden zu seinem Hotel am Hyde Park gehen müssen, aber statt dessen ging er in Richtung Sloane Square nach Süden, sobald Graham außer Sichtweite war.
    Er überquerte den Platz und schlenderte durch die ruhigen Seitenstraßen Chelseas, bis er das Themseufer erreichte. Die Luxuswohnungen am Chelsea Embankment waren hell erleuchtet. Flußnebel ließ die Straße feucht glänzen. Michael hatte sie für sich allein; bis auf einen kleinen Mann, der beide Hände tief in den Taschen seines zerschlissenen Trenchcoats vergraben hatte und hinkend an ihm vorbeihastete wie ein nicht mehr recht funktionierender Spielzeugsoldat, war kein Mensch mehr unterwegs.
    Michael lehnte sich ans Geländer, starrte auf den Fluß, drehte dann den Kopf zur Seite und blickte zur Battersea Bridge hinüber, hinter der die hellerleuchtete Albert Bridge aufragte. Er glaubte zu sehen, wie Sarah durch Dunkelheit und Nebel auf ihn zukam, ihr pechschwarzes Haar zu einem Nackenknoten zusammengefaßt, ihr Rock um Wildlederstiefel wippend. Sie lächelte ihn an, als sei er der wichtigste Mensch der Welt, als habe sie den ganzen Tag nur an ihn gedacht. Mit dem gleichen Lächeln begrüßte sie ihn jedesmal, wenn er ihre Wohnung betrat. Oder wenn sie sich zu einem Drink in ihrer Weinbar oder zu einem Espresso in ihrem Stamm-Café trafen.
    Michael erinnerte sich an ihr letztes Zusammensein, als er am Nachmittag davor bei ihr vorbeigeschaut und sie in einem weißen Trikot auf dem Fußboden sitzend angetroffen hatte, wo sie ihren schlanken Körper über ihre langen nackten Beine beugte. Er wußte noch gut, wie sie sich ihm entgegengereckt, ihn geküßt und das Trikot von ihren Schultern gestreift hatte, damit er ihre Brüste umfassen konnte. Später im Bett gestand sie ihm, daß sie sich als Mittel gegen Langeweile bei ihren Dehnungsübungen vorstellte, mit ihm zu vögeln. Und daß sie danach immer schrecklich erregt war und das Problem

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