Der Mann auf dem blauen Fahrrad
zu machen.
– Das geht dich doch einen Scheißdreck an, verdammte Fünfzollmadame, antwortete der Fettwanst.
– Sie sind es, der sich in Acht nehmen sollte, warf die Nichte des Schiffers ein. Nehmen Sie sich verdammt gut in Acht!
– Zum Teufel auch. Warum das?
– Sonst könnte es sein, dass Sie nicht mit auf dem Bild sind.
– Na und?
– Sie werden schon sehen.
Der Fettwanst schien darüber ebenso erschrocken wie aufgebracht. Irene konnte nicht verstehen, warum. Gab es Regeln, die sie nicht kannte oder kapierte? Seltsame Einverständnisse und unbegreifliche soziale Übereinkünfte?
Es sah tatsächlich danach aus.
Der Hund, der kastanienrote Setter, war ihnen die ganze Zeit gefolgt, obwohl sie mittlerweile das Band um seinen Hals gelöst hatten. Bald blieb er ziemlich nah bei ihnen, bald lief er ein Stück hinter ihnen, je nachdem, ob er etwas fand, das ihn mehr interessierte, die Witterung eines Eichhörnchens oder eine Reviermarkierung an einem dieser Laternenpfähle, die hier und da an den Straßen und Gassen des Ortes standen. Es gab keinen Zweifel, dass dieser Hund schlau war. Fast ein bisschen zu schlau.
Sie hatten die große weiße Villa da oben auf dem Hügel mittlerweile in Sichtweite, aber es war gar nicht so leicht, dahin zu gelangen. Und der Hund verstand offenbar, klug, wie er war, dass dieser mit Wrackteilen übersäte Eisenbahnübergang nicht passierbar war. Jedenfalls nicht gerade jetzt.
Das weiße Haus, in dem also der Hüttenwerksbesitzer Stenhake wohnen sollte, schimmerte ärgerlich deutlich, aber schwer erreichbar oberhalb der Kanalböschung. Jetzt begann der Hund eine andere Richtung einzuschlagen, blieb kurz stehen, um sich zu vergewissern, dass sie ihm folgten, dass sie ihn sahen, und lief dann weiter. Unter den Bäumen am Kanal, unter den Kronen dichter und offenbar sehr alter Espen und Linden, gab es tatsächlich eine Brücke. Eine Holzbrücke, auf altertümliche Art mit soliden Steinkisten tief unten im Wasser verankert. Das schwarze Wasser bildete Strudel um die Steine der Kisten, die lange Haare hatten. Das heißt, das Seegras, das auf ihrer Oberseite wuchs und jahrhundertealt zu sein schien, wogte im Strom wie lange Haare.
Irene war der Trångforsen ja nicht unbekannt, von Kindesbeinen an hatte sie in diesem alten Hüttenwerksort gespielt und war geradelt und gelaufen. Aber dieses Haus hatte sie tatsächlich noch nie gesehen.
Der Hund war schon draußen auf der Brücke. Vermutlich konnte man sie hochklappen. Wie sollte sonst ein Boot auf dem Kanal hier durchkommen? Oder war es vielleicht gar nicht der Kanal, der hier unten durchfloss, sondern ein anderes Gewässer?
Vom anderen Ufer her kamen ihnen zwei Mädchen entgegen, die so eigentümlich gekleidet waren, dass es nur eine Erklärung gab: Sie waren zu einer Maskerade unterwegs. Sie trugen Sachen, die offenbar ein Kreuzworträtsel darstellen sollten. Sogar ihre lächerlichen Hüte hatten schwarze und weiße Karos.
– Hallo, sagten die Kreuzworträtselmädchen. Was tut ihr hier? Ist es so ausgemacht, dass ihr hier sein sollt?
– Wieso ausgemacht? Wir wollen hinauf zum Hüttenwerksbesitzer Stenhake, erwiderte die Nichte des Schiffers. Und wir können das Haus ja sehen. Aber es scheint nicht so einfach zu sein, dorthin zu gelangen.
– Nein, das ist es wirklich nicht. Wir versuchen es schon seit heute früh. Aber wir kommen nur bis zu einer blöden Zauntür. Sie ist zugesperrt. Wir gehen über den Steg, den Klappsteg, meine ich. Aber dann ist Schluss.
– Klappsteg?
– Na, aber das weiß doch jeder: Ein Klappsteg ist eine hochklappbare Brücke.
– Oh, ich verstehe, sagte die Nichte des Schiffers. Es ist so ein Wort, wie man es nur in Kreuzworträtseln findet, nicht wahr?
– Da könnte etwas dran sein, erwiderte das eine Mädchen.
– Ihr seid vielleicht zu einer Maskerade unterwegs?
– Nicht dass wir wüssten.
– Weil ihr so komisch angezogen seid.
– Findest du?
– Na ja, mit diesen Kreuzworträtselzeilen.
– Alle Menschen interessieren sich heutzutage für Kreuzworträtsel, sagte das erste Mädchen. Sie sind sehr populär.
– Dann macht ihr vielleicht Reklame für Kreuzworträtsel?
– Daran haben wir nicht gedacht. Aber vielleicht tun wir das.
– Und ihr wolltet hinauf zum Herrenhaus, zu Hüttenwerksbesitzer Stenhake?
– Ja, antwortete das Mädchen. Oder nein, nicht wirklich. Wir wollen da hinauf und für seinen Gärtner arbeiten. Im Gewächshaus.
– Was wollt ihr da machen?
–
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