Der Mann aus dem Safe
offenbar eine zweite Ebene über der Gartenterrasse. Vor dem Treppenaufgang dorthin war doch tatsächlich eine rote Samtkordel zwischen den Pfosten gespannt. Brian hängte sie auf einer Seite aus, ließ mich passieren und hängte sie wieder ein, bevor wir hinaufgingen. Oben gab es einen Gartentisch mit einem großen grünen Sonnenschirm und gepolsterten Liegestühlen. Außerdem einen Whirlpool. Zwei weitere Schüler der Abgangsklasse hockten auf seinem Rand und ließen die Füße hineinhängen. Trey Tollman, der Quarterback, und ein anderer Typ aus der Mannschaft, der Danny Farrely hieß.
»Hey, guckt mal, wen ich aufgegabelt habe«, rief Brian.
Danny stolperte beinahe über seine bloßen Füße, als er vom Wannenrand aufsprang.
»Michael, alter Kumpel!« Als wäre ich sein lange vermisster Freund.
»Danny und Trey kennst du ja«, sagte Brian. »Aus’m Team.«
»Ich will dir mal was sagen«, nuschelte Danny. Er zog mich von Brian weg und schlang mir den Arm um den Hals, so dass ich den süßlichen Schnapsgeruch seines Atems roch. »Du bist okay, weißt du das? Du bist echt okay. Ich bewundere dich irgendwie, echt.«
»Mann, lass ihn in Ruhe«, sagte Trey. »Hör auf, ihn so anzuschleimen.«
»Komm her«, sagte Brian und zog mich wieder zu sich. »Willst du was trinken? Trey, hast du noch was von der Bowle übrig?«
»Klar, Mann«, sagte Trey. Er nahm ein Glas vom Tisch und schenkte mir aus der Karaffe daneben einen großen Drink ein. »Probier das mal. Das hilft einem Mann aufs Pferd.«
Ich nahm das Glas und kostete. Schmeckte wie ganz normale Früchtebowle.
»Das ist die Bowlingkugel«, sagte Brian. »Trink nicht zu schnell, eh?«
»Gottverdammich«, sagte Danny. »Der Künstler persönlich.« Er ging zurück zum Whirlpool und steckte einen Fuß rein. »Der verfluchte Rembrandt von Milford. Leck mich, ist das Wasser heiß.«
»Sei nicht so ein Weichei«, sagte Trey. »Du wirst schon nicht schmelzen.«
»Du gehst ja auch nicht rein.«
»Hey, Mann, wenn sich hier jemand nackt auszieht, dann garantiert nicht nur wir Jungs, das sag ich dir.«
»Von wegen VIP -Lounge! Wann kriegen wir endlich mal ’n paar Mädels hier rauf?«
»Also, was ich dich fragen wollte«, sagte Brian und brachte seine Freunde zum Schweigen. »Du weißt doch noch, als du mein Schloss geknackt hast, ja?«
Ich nickte.
»Wie hast du das gemacht?«
Sie sahen mich alle so eindringlich an, als erwarteten sie wirklich eine Antwort. Ich breitete die Hände aus.
»Es ist kompliziert«, übersetzte Brian, »willst du das sagen? Man muss einfach wissen, wie?«
»Er is’n Künstler«, sagte Danny. »Mit dem Pinsel wie mit ’nem Vorhängeschloss.«
Ich trank noch einen Schluck von der Bowle. Sie war süß und ging runter wie nichts. Der Terrassenboden begann unter mir zu schwanken. Nur ein kleines bisschen zu diesem Zeitpunkt. Nicht das totale Karussell.
»Also, was ich gern wissen möchte«, sagte Brian, »kannst du auch andere Schlösser aufkriegen?«
Ich antwortete mit einem halben Achselzucken und einem halben Nicken.
»Türschlösser zum Beispiel? Kannst du die öffnen? Aber dazu bräuchtest du wahrscheinlich Werkzeuge, oder?«
»Ich wette, er kann das«, mischte sich Danny ein. »Er ist ein Künstler, sag ich euch.«
»Was für Werkzeug würdest du brauchen?«, fragte Brian. »Ich meine, nur so aus Interesse.«
Ich hatte mein selbstgebasteltes Werkzeug nicht dabei. Ich hätte einfach abwinken und nach Griffin und Nadine suchen sollen. Aber schon komisch, wie schwer es ist, das Thema zu wechseln, wenn man nicht sprechen kann. Man wird automatisch zum aufmerksamen Zuhörer.
»Wenn ich den Werkzeugkasten meines alten Herrn hole, zeigst du es mir dann? Ich finde es einfach großartig, dass du das kannst.«
»Er ist toll«, sagte Danny. »Er ist ein großartiger Künstler, der Kunst macht und … all so was. Wartet’s nur ab.«
»Kannst du endlich mal die Klappe halten?«, sagte Trey.
»Du bist doch nur neidisch, weil du nicht großartig bist.«
»Okay, komm mit runter«, sagte Brian. »Ich hole das Werkzeug.«
Er führte mich wieder die Treppe hinunter, zerrte mich praktisch mit sich. Danny und Trey folgten uns auf den Fersen. Ich hielt nach Griffin und Nadine Ausschau, sah sie aber nirgends. Als ich hineingehen wollte, versperrte mir Brian, der gerade mit einem großen Werkzeugkasten aus Metall wiederkam, den Weg. Langsam wurde ich ein bisschen nervös. Ich trank noch ein paar Schluck von der Bowlingkugel.
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