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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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besonders
liebenswürdiger und feiner Mann. Wenn ihm besonders gut zumute ist, und das
geschah auf dieser Reise schon des Öfteren, nimmt er seine Hörgeräte aus den
Ohren. Dann ist er komplett taub, verschwindet glücklich lächelnd in seine
eigene, abgeschlossene Welt. „Raffael, was steht denn auf dieser Tafel? Können
Sie uns das mal übersetzen?“ will Herr Albertz wissen.  
      Raffael zuckt ein wenig zusammen. Er war gerade in ein
zeitliches Nichts getaucht. Er löst sich aus seiner Trance, streift mich mit
einem seltsam kühlen Blick und geht hinüber zu dem zerstörten, syrischen
Panzer, der in der Mitte der Gedenkstätte steht und an dessen Rand eine
bronzene Tafel geschweißt wurde. Die martialische Erinnerung an ein
martialisches Geschehen. Auch Kriegerdenkmäler sind Geschmacksache.
    „Hier stehen die Namen der getöteten israelischen Soldaten
drauf.“ Seine Stimme hat den gewohnten scharfen Ton. Er hat sich wieder in der
Gewalt. Er wird mich dafür hassen, dass ich ihn so schwach erlebt habe, denke
ich, wird sich bis oben hin zuknöpfen und den harten Burschen noch mehr
heraushängen lassen. Schweigsam wie John Wayne wird er seinen Weg gehen und
über mich hinweg bulldozern. Ein klein wenig teile ich aber seine
Selbstverachtung. Ich mag auch keine schwachen Männer.
    Ich lese die Namen auf der Bronze-Tafel. Es dauert immer so
lange, bis ich die hebräische Schrift entziffern kann. Mir fehlen die Vokale
beim Lesen, die Buchstaben B und F sind gleich, sie ist überhaupt ein
unentwirrbares Rätsel, diese Sprache. Irgendwie passt sie gut zu dem
schwierigen Volk. Mühsam setze ich Buchstaben für Buchstaben zusammen. Michael
Kidon, 18 Jahre kommt dabei heraus.Das ist er, der kleine,
unvergessene Bruder.       
     
    Ich bin überrascht, als Raffael abends an unserem Tisch
sitzt. Neben mir. Das hätte ich nicht erwartet. Frischgeduscht, die Haare sind
noch nass. Mit der Wäsche hat er anscheinend auch die Trauer wegzuspülen
vermocht, denn er hat seinen üblichen  Gesichtsausdruck, überheblich und
unantastbar. Wenn ich ihn nur austauschen könnte und an seiner Statt mit einem
sympathischen, höflichen, unterhaltsamen Mann durchs Heilige Land reisen
dürfte. Der Erzengel sitzt zwar neben mir, dreht mir aber sein breites Kreuz zu
und unterhält sich mit Frau Albertz, der rundlichen Gemahlin des Schwerhörigen.
Er klärt sie über die koschere Küche auf. „Fleisch- und Milchspeisen müssen
streng voneinander getrennt werden. Verboten ist sowohl die Zubereitung in
gleichen Töpfen wie auch der Verzehr mit gleichem Besteck oder die Mischung von
Fleisch und Milch im Magen.“ sagt er.
    „Das klingt ja sehr kompliziert.“ meint Frau Albertz. „Essen
Sie zu Hause auch koscher?“
    Raffael lacht. „Ich bin doch nicht verrückt.“ sagt er. „Ich
bin kein frommer Jude. Davon haben wir hier schon mehr als genug.“
    Der Oberkellner kommt an unseren Tisch und nimmt die
Getränkebestellung auf. Er ist ausgemergelt und alt, hat ein verknittertes
Gesicht und dunkle, wissende Augen. „Guten Abend, Bon Soir, Buona Sera, Good
Evening. Herzlich willkommen, ich winsche Guten Appetit.“ ruft er immer schon
von weitem. Die paar Worte kann der kleine Mann in allen Sprachen der Gäste,
die hier übernachten. Es klingt lustig, und ich freue mich jedes Mal auf seine Begrüßung.
Ein liebgewonnenes Ritual.
    Frau Albertz schaut ihn lange und mit ernstem Gesicht an.
„Ach, Herr Machmud, ich bewundere Sie.“ sagt sie. „Immer sind Sie fröhlich,
trotz allem, was Sie in Ihrem Leben durchmachen mussten.“
    An was denkt sie wohl? Sie schaut auf seinen rechten
Unterarm, der ein wenig aus dem weiten, ausgefransten Ärmel herausschaut.
Raffael beobachtet die Szene, seine Mundwinkel sind nach unten verzogen.
Missbilligend, wie mir scheint. „Sie sucht die KZ-Nummer.“ flüstert er mir ins
Ohr. „Ja, aber...“ bevor ich weiterreden kann, höre ich wie Frau Albertz
ängstlich weiterfragt.
    „Wie haben Sie denn den Krieg überlebt?“ Sie atmet nervös.
„Von wo stammen Sie denn ursprünglich?“ Sie weint fast vor Mitgefühl.
    „Ich komme aus Migdal.“ Mahmud freut sich über die
Anteilnahme. „Das ist ein kleines arabisches Dorf, ein paar hundert Meter von
hier. Meine Familie lebt dort schon viele Jahrhunderte.“ Er strahlt sie an.
„Ich winsche Ihnen guten Appetit“. Frau Albertz bleibt der Mund offen stehen.
Ein ganz gewöhnlicher Araber, denke ich, war wohl nichts mit Buchenwald und
Treblinka.
     „Ich

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