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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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eine Tanz-Halle. Der Mief nach Kohl und Kartoffeln hängt noch
in der Luft, die Neon-Röhren an der Decke tragen nicht gerade zu einem
Lagerfeuer-Feeling bei.
    „Ich mit Dir tanzen? Was denn? Du kannst sicher nur im Kreis
rumhüpfen in alter Horra- Seligkeit.“ sage ich schnippisch. „Das ist der
einzige Tanz, den ich in diesen Kibbuzim je gesehen habe. Das ist aber nichts
für mich. Ich bin nämlich kein Kibbuznik.“
    „Du tust nur so, als seist Du keiner.“ bekomme ich zur
Antwort. „Du benutzt Dein europäisches Kulturhemd nur, weil Du keine Vision
hast. Hättest Du eine, würdest auch Du mit Vergnügen Straßen pflastern und
Äpfel ernten. Und am Abend tanzen und singen.“
    „Schalom, Raffi , schön, dass Du gekommen
bist.“ rufen die jungen Leute, die sich um die elektronischen Musikinstrumente
versammelt haben. Sie sehen unverschämt gesund und kraftstrotzend aus, sind
braungebrannt und bereit, sich zu amüsieren. Das ist nicht zu übersehen.
„Singst Du etwas für uns, Raffi?“ fragen sie ihn.
    Er lacht. „Vielleicht später.“
    „Wieso nennen sie Dich Raffi ? Das klingt nach
Kindergarten.“ Ich bin plötzlich gereizt.
    „Das ist mir ganz egal, nach was das klingt.“ antwortet er.
„Alle nennen mich Raffi, und das ist schon recht so.“
     „Ach, Elisabeth“, ruft Frau Albertz begeistert. „sehen
diese jungen Leute nicht prächtig aus. Und wie jung sie sind!“ Ja, das sehe ich
selber, denke ich und fühle mich plump und faltig. Da fängt die Musik an zu
spielen. Das Kibbuz-Trio besteht aus Keyboard, elektrischer Bass-Gitarre und
einer Geige. Im Nu wirbeln die Menschen auf der Tanzfläche, singen und
klatschen mit. Einer von den „Visionären“ nimmt unsere Woghilde bei der Hand
und schleppt sie in den Kreis der Tanzenden. Im Zweivierteltakt wogt alles im Kreis,
sogar meine Mitreisenden vergessen ihre Scheu, halten Händchen mit den jungen
Juden und drehen sich begeistert zu den uralten Pionier-Liedern mit ihrem
schnörkellosen Polka-Rhythmus im großen gemeinschaftlichen Rund. Yesh li
eretz nehederet, das Liebeslied auf dieses schwierige, schöne Land, wird
gesungen, und natürlich Sisu et Yerushalayim gilu bah, das die ewige
Freude an König Davids Stadt Jerusalem beschwört.
    Ich bin nicht Teil der Begeisterung, empfinde diese
Lebensart als ziemlich altbacken und überholt. Zwar pflanzt dieser Kibbuz noch
immer fleißig Orangen, Avocados und Bananen an, über Wasser halten kann er sich
aber nur durch den Hotelbetrieb. Und da arbeiten hauptsächlich Araber von außerhalb.
Das ist doch alles zu einer Farce verkommen, denke ich. Ich würde gerne eine
Zigarette rauchen, aber das ist hier drinnen natürlich nicht erlaubt.
Kibbuzniks verabscheuen alles, was ungesund ist. In ihr Daseinsrepertoire
gehören Zigaretten ebenso wenig wie Alkohol.
    Widerwillig lasse ich mich von einem jungen Mann aufs
Parkett führen. Ich würde ihm gerne einen Korb geben, aber ich traue mich ganz
einfach nicht. Und so tanze und hopse ich ein bisschen mit und bin sehr froh,
als eine Pause angesagt wird. Ich gehe hinaus auf die Terrasse. Ich fühle mich
so steif, kann wieder einmal nicht loslassen, mich gehen lassen. Dauernd rasen
die Gedanken im Kopf herum. Warum bin ich so unausgeglichen? Liegt es wirklich
nur daran, dass ich keine Vision habe? Hat er denn eine? Was geht ihn überhaupt
an, was ich habe oder nicht. Ich sollte mich nicht ständig von diesem Menschen
beeindrucken lassen, er scheint alles andere als perfekt zu sein. Er ist ein
Versager, ich bin keiner, und dennoch kritisiert er ständig an mir herum. Ich
werde mir das verbitten.
    Die Musik beginnt wieder zu spielen. Ich schaue zu den
Sternen hinauf und denke daran, was der Erzengel heute von sich gesagt hat: Gefräßig
auf Leben . Das wäre ich auch gerne, aber wie stellt man das an? Grüble doch
nicht ewig, sage ich zu mir selber, geh` einfach hinein und mach` mit. Aber
genau das kann ich nicht. Ich bleibe hier draußen und höre der Musik zu. Aber
was höre ich? Was ist denn das? Ein ganz anderer Rhythmus, keine markigen
Pfadfinder-Märsche mehr! Nein, es ist ein Walzer. Ich schließe die Augen und
summe mit. Die Donau so blau, so blau, so blau. Ach, würde ich jetzt
gerne tanzen, mich im Kreis drehen, die Schultern zurückgelehnt, mich einfach
der Musik hingeben und schwingen und leicht sein. An der schönen blauen
Donau geht zu Ende, der letzte Akkord verklingt, und ich stehe allein auf
dieser trostlosen Kibbuz-Veranda. Mir krampft es das Herz

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