Der Mann aus Israel (German Edition)
sprach hebräisch, aber meine Kenntnisse dieser
Sprache beinhalten kein Bettvokabular. Um wie viel Uhr fährt der Bus nach
Haifa? lernt man in der Schule, aber nicht Dinge wie Du bist das Feuer
meiner Hüften. Und einen israelischen Liebhaber, der mir so etwas hätte
beibringen können, hatte ich noch nie. Ich hatte überhaupt noch nie einen
Liebhaber. Ein Leben der Treue zu meinem Mann lag hinter mir. Und so soll es
auch bleiben, denke ich, ich kann nichts anderes zulassen. Mein Plan war, mich
mit der Verführung meiner Umgebung zu beschäftigen und nicht umgekehrt. Soll
der Erzengel sein siegessicheres Lächeln an einer anderen ausprobieren. Du
wirst nicht auf seine Lüsternheit hereinfallen, Elisabeth, rede ich mir zu. Das
ist auch eine Frage der Intelligenz. Also, stolpere nicht in deine eigene
Falle, sage ich streng zu mir und klettere aus dem Bett. Es ist erst sechs Uhr
morgens, die Sonne schickt ihr erstes, rosasilbriges Licht über den See. Was du
brauchst, ist eine kalte Dusche, altes Mädchen, brummle ich vor mich hin,
schlüpfe in meinen Badeanzug und laufe durch die Wiesen hinunter zum Strand.
Das Gras ist nass vom Nachttau, es ist Herbst. Im See ist wenig Wasser, das
Ufer ist zurückgetreten. So schnell ich kann, laufe ich hinein ins Tiefe und
schwimme hinaus, direkt in den Lichtkegel hinein, den die aufgehende Sonne über
das Wasser zeichnet. Ich lege mich auf den Rücken und schlage mit den Beinen,
ich tauche ins Wasser, kraule und strample herum. Ich schüttle die Nacht aus
den Gliedern, spüre das angenehm kühle Wasser, das mich aufweckt und wieder klar
denken lässt. Mit geordneten Gedanken steige ich aus dem Wasser.
Wir müssen Abschied nehmen vom See Genezaret. Alle neun
Reisenden sind in bester Stimmung, singen und pfeifen noch immer beschwingt die
Melodien vom gestrigen Kibbuz-Abend. Raffael muss ständig die Texte erklären
und ihnen mit den Melodien auf die Sprünge helfen. Sogar der schweigsame Dr.
Friedrich Nerwenka, der darauf besteht, dass man ihn mit seinem akademischen
Titel anredet, wirkt gelöst und zufrieden. Herr Doktor hat also nichts zu meckern
heute, denke ich fröhlich. Wie schön für uns und erst recht wie schön für Frau
Köhler, seine arme Partnerin. Ihr sind seine konstanten Reklamationen sicher
oft peinlich, glaube ich. Andererseits, weshalb lebt sie mit diesem Mann, an
dem nichts dran ist außer dem Dr. jur.? Stets und an allem findet er
irgendetwas zu bemängeln. „Das ist jetzt schon das dritte Hotel, wo wir das
letzte Zimmer im Gang bekommen haben“, „Heute lagen schon wieder Haare im
Waschbecken“, „Sagen Sie dem Fahrer, er soll meinen Koffer vorsichtig in den
Bus laden. Er hat schon Kratzer genug abbekommen auf dieser Reise.“ „Herr und
Frau Rütimeier bekommen immer die besten Zimmer, das habe ich genau
beobachtet.“ So geht das tagtäglich, meist schon zur Begrüßung am
Frühstückstisch. Ich sehe oft, wie er in ein kleines Büchlein Notizen schreibt.
Anfangs dachte ich, es seien historische Daten, die er da verewigt. Inzwischen weiß
ich, dass er an einer „Mängelliste“ arbeitet. Ich rette mich meist in ein
kommentarloses Lächeln, wenn er mich hineinziehen will in seine griesgrämige
Lebenshaltung. „Aber, lieber Herr Doktor“, sage ich dann zu ihm. „schauen Sie
doch, wie schön die Sonne scheint.“ Ich fürchte, ich komme auch in seinem
Büchlein vor, als einer der Mängel dieser Reise. Aber heute hat die Heiterkeit
sogar in Herrn Nerwenkas Herzen einen Platz gefunden.
Hava Nagila Hava Nagila höre ich die braven Leute
hinter mir singen. Komisch, denke ich, so zurückhaltend, revier-bewusst und
kontaktarm die Menschen auch sein mögen, gib` ihnen Marschmusik und
rhythmisches Gestampfe und schon umarmen sie sich in brüderlichem
Einverständnis. Ich empfinde dieses Benehmen als ziemlich undifferenziert,
lächle aber bereitwillig meinen wiedergewonnenen Charme großzügig in die Runde.
Ich bin so froh, dass diese klebrige Gefühlsaufwallung vorbei ist, versunken in
den Fluten des galiläischen Meeres. Möge sie ruhen in Frieden. Ich habe meine
Tarnkappe wieder gefunden. Ich bedenke auch Raffael mit viel Freundlichkeit heute
Morgen.
„ Schalom, Raffi, ma schlomcha? Geht`s Dir gut?“ rufe
ich ihm zu und versuche nicht an unser nächtliches Rendezvous in meinem Bett zu
denken. Bei dem Gedanken wird es mir schon wieder ganz heiß. Khalil sitzt am
Steuer, er freut sich, dass seine amira, seine Prinzessin, heute geruht,
liebenswürdig und
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