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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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mit
dem Finger auf mich. „Ich weiß natürlich, dass sein konzentriertes Interesse
Ihnen galt und nicht dem alten Vater.“ Er hält einen Moment ein. „Haben Sie es
gespürt, wie der Jäger seinen Bogen spannte, bis er vibrierte?“ sagt er dann.
    Muss ich jetzt etwas antworten? denke ich. Abwehren oder
beschwichtigen? Wessen Eitelkeit soll ich befriedigen? Die des Vaters, des
Sohnes oder meine eigene? Ich beschließe, meinen Mund zu halten und zucke nur
mit den Achseln.
    „Achtung, meine Dame, der Löwe von Juda ist auf der Pirsch.
In Gedanken hat er Sie schon erlegt, mein Dinosaurier-Sohn. Er wartet nur noch
auf die passende Gelegenheit, dann wird er in realiter zuschlagen und
Ihnen das Herz herausreißen. Für einen kleinen Moment wird er befriedigt auf
Ihre Hilflosigkeit hinunterschauen und dann weiterziehen.“
    Um Gottes Willen, denke ich, was entwickelt denn dieser
Mensch für Bilder von seinem eigenen Sohn. Dinosaurier! Neandertaler! Ich habe
Deinen Sohn zusammensacken sehen vor innerem Schmerz und höre noch jetzt den
metallenen Klang seiner heiseren, trauergeplagten Stimme oben auf dem Golan am
Todesort des Bruders, rufe ich Otto Guttmann in Gedanken zu.
    „Geben Sie sich nicht dafür her, meine liebe Elisabeth.“ Er
mustert mich ernst, lässt seine Augen langsam über mein Gesicht wandern und
lächelt dann plötzlich. „Aber ich glaube, ich mache mir umsonst Gedanken. Sie erobert so schnell keiner!“
    „Ganz richtig.“ Antworte ich sehr selbstbewusst. Dein Sohn,
dieser Nasenbohrer wird sich an mir nicht befriedigen, denke ich vulgär und
zitiere laut und pathetisch den Propheten Jesaja: „Denn es sollen wohl
Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen
und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr dein
Erbarmer.“ Wir lachen beide aus vollem Hals und prosten zu uns zu. Amen,
Amen rufen wir gleichzeitig und sind sehr erleichtert. „Es lebe die
Überlegenheit des Geistes!“ ruft Otto Guttmann und gießt nach.
    Er steht auf und geht die paar Schritte zu seiner
Stereoanlage. Ein Sonnenstrahl trifft auf die zierliche Gestalt des weißhaarigen
alten Herrn. Ich spüre so viel Zuneigung zu ihm. Ihn zu lieben würde sich
lohnen, denke ich.
    „Wenn ich Ihr Kind wäre, würde ich ständig bei Ihnen
sitzen.“ Er hat wieder Bach aufgelegt. Wenn ich mich nicht irre, ist es Nun komm'
der Heiden Heiland . Raffi wüsste es sicher genau.
    Wie gut diese Musik hierher passt. So weit weg von ihrer
Entstehungsumgebung scheint sie wie gemacht, dieses jemenitisch-chinesische
Zimmer eines Juden im Jerusalemer Äthiopierviertel zu durchfluten.
    „Bis diese fleischfressende Blume aus Persien in sein Leben
trat, saß er auch ständig hier. In dem roten Sessel, in dem er gestern fläzte.
Damals saß er allerdings immer aufrecht, voller Respekt mir und meinem Wissen
gegenüber, das er in sich hineinfraß. Alles wollte er wissen. Haben Sie es
gemerkt, Elisabeth“, er seufzt ganz leise. „wie genau er Bach kennt? Aber nicht
nur Musik, auch die Klassiker der Literatur wollte er kennen, die deutschen,
die französischen, die englischen. Er war einfach brillant. Und dieses
phänomenale Gedächtnis. Was immer es war, er sog alles auf wie ein Schwamm, um
es nicht mehr zu vergessen: Geschichte, Kunst, Geographie, Literatur. Nur in
den Naturwissenschaften musste ich passen. Diese Sparte hat er sich selbst
entdeckt. Sie können mir glauben, liebe Elisabeth, dass ich stolz auf dieses
Kind war.“ Er stutzt einen Moment. „Wissen Sie was mir gerade einfällt? Unsere
Gespräche waren immer in Deutsch. Raffi wollte ausschließlich deutsch mit mir
sprechen. Das ist doch interessant, nicht?“.
    Ich nicke, obwohl ich es nicht so verwunderlich finde. Was
ist schon dabei, über Bach oder Goethe in Deutsch zu reden? Es ist etwas ganz
anderes, was mich stutzig macht.
    „Mir hat Raffael erzählt, dass er völlig durchschnittlich
veranlagt war, dass der brillante Ihrer Söhne der tote Miki war.“
    Otto Guttmann macht eine schnelle Bewegung mit der Hand, als
wolle er meine Bemerkung vom Tisch fegen. „Papperlapapp!“ ruft er. „Das gehört
in Raffis Märchenstunde. Nachdem Miki abgeschossen wurde, hat Raffael nur noch
Macken entwickelt. Eine davon war, sein eigenes Leben ausschließlich von der
destruktiven Seite aus zu sehen. Er, der nichts wert war, durfte weiterleben.
Und lauter solchen Unsinn. Er bastelte sich eine Biographie zusammen, die
hinten und vorne nicht stimmt.

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