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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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Wie ein schlechter Impresario inszenierte er
sich neu.“ Noch in der Erinnerung wird Otto Guttmann wütend. „Der Kleine war
niedlich, aber medioker. Er wollte immer nur Pilot werden. Schon als
Dreikäsehoch. Na, das ist er ja dann auch geworden.“ Er schnauft laut. „Soll
irgendjemand daran schuld haben, dass er abgeschossen wurde? Diese Gedanken
haben keinen Sinn, und machen ihn nicht mehr lebendig.“ Er zupft sich am
Ohrläppchen, seine Stimme zittert ein wenig. „Wie oft habe ich Raffael das
gesagt. Wie ein Wiederkäuer. Immer und immer wieder die gleiche Leier. Es ist niemandes
Schuld. Aber Raffael war davon überzeugt, dass der falsche Bruder weiterleben
durfte.“ Es fällt ihm sichtlich schwer weiterzureden. „Damals fing er auch an,
die Araber zu hassen. Pauschal. Undifferenziert. Das verstehe ich am
allerwenigsten. Ein Mann von seinen geistigen Fähigkeiten verfällt in
primitives Schwarzweiß-Denken. Noch dazu mein Sohn!“ Er steht auf und geht zum
Fenster. Er dreht mir den Rücken zu. Ich sehe, wie er mit sich kämpft. Die
Schatten im Zimmer werden länger, die Sonne wird bald untergehen. Ich schaue
auf meine Uhr und sehe, dass es schon gleich fünf Uhr ist. Sitze ich schon über
zwei Stunden hier?
    Ich sollte ihn jetzt von diesem Thema erlösen, denke ich,
einfach von etwas anderem, Belangloserem reden. Es fällt mir nichts ein. Aber
da hat er sich schon wieder im Griff. „Ich glaube, ich mache mal die Lampen an,
sonst kann ich Sie bald nicht mehr sehen. Und das wäre doch schade.“
    „Aber als sein Bruder starb, war Raffael schon
fünfundzwanzig. Ich meine, na ja, da muss er doch einen Beruf gehabt haben.“
Ich kann es nicht lassen. Es ist meine einzige Chance, das zu erfahren, was ich
wissen möchte.
    „Nicht nur einen Beruf, auch eine Frau und einen Sohn. Diese
Frau hatte einen enormen Einfluss auf ihn. Und keinen guten, das kann ich Ihnen
schwören. Ester hieß die Dame, eine wilde Schönheit aus Persien. Er schenkte
ihr all seine Liebe. Sie hat es ihm schlecht gedankt.“ Das wird wohl die
fleischfressende Pflanze gewesen sein, die er vorhin so aufgebracht erwähnt hat.
    „Seit wann haben Sie etwas gegen schöne Frauen?“ sage ich
und hoffe, es klingt locker und leichthin.
    „Nichts, gar nichts! So lange sie ihre Schönheit zum
Verführen benutzen. Oder zum Denken, das geht auch noch.“ lacht er. „Aber diese
Ester aus Persien war eine Katastrophe, eine richtige Aktivistin. Sie lernten
sich beim Militärdienst kennen. Er war achtzehn, die Dame siebzehn. Zuerst
verdrehte sie ihm den Kopf, dann entschied sie über sein Leben. Er wollte
Mediziner werden, wie ich. Sie aber wollte einen Militär zum Mann. Er sollte
Rüstungstechnik studieren und dann ein hohes Tier in der Armee werden.“ Er
schüttelt den Kopf. „Und mein guter Junge, dieser Idiot, wurde
Rüstungstechniker. Und dann ein hohes Tier in der Armee. Seinen Doktorgrad
erwarb er über irgendein Luftabwehr-Thema, so ähnlich wie surface to air
missiles , wenn ich mich recht erinnere. Mich interessieren diese
zerstörerischen Maschinerien nicht besonders. Bevor er allerdings die richtigen
Sterne an den Schultern trug, hatte sie ihn schon verlassen. Ein noch
willigeres Opfer war aufgetaucht und wurde für meinen Sohn eingetauscht.“ Er
schaut mich fragend an. Ich nicke. Ich weiß, dass Raffael Oberst ist.
    „Nach der Hochzeit musste auch gleich ein Sohn her. Nach
dieser Katastrophe muss das Volk Israel sich vermehren. Das war ihr Credo.
Als könnten die sechs Millionen Ermordeter mit möglichst vielen Neuzugängen
ersetzt werden. Und so wurde mit patriotischem Eifer ein armer kleiner Wurm
gezeugt: Sami, mein erster Enkel. Mit Eltern, die noch nicht einmal zwanzig
waren.“ Otto Guttmann bohrt mit dem Finger in die Luft. „Dieser grauenhafte
Name Speer geht auch auf ihr Konto. Martialisch sollte der neue Name
klingen, unbesiegbar und heldenhaft.“ Er schüttelt mit dem Kopf. „Namen allein
tun`s nicht.“ sagt er traurig. „Auch Juden, die Speer oder Sturm,
Stahl oder Eiche heißen, können Verlierer sein.“ Nach einer kleinen
Pause spricht er weiter. „Die Juden aus den orientalischen Ländern haben
jahrhundertelang nur eine passive Rolle gespielt. Es waren die europäischen
Juden, die unser Volk prägten und führten. Erst mit der Schaffung des Staates
Israel tauchten mit einem Mal die orientalischen Juden hier auf. Sie hatten
nicht viel zu bieten. Diese Tatsache schien Ester zu quälen. Sie wollte die
Jahrhunderte der

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