Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
Vom Netzwerk:

    Und Lucius? Was mache ich mit Lucius? Ob er wohl überhaupt
reagieren wird, wenn ich ihm sage, dass ich einen anderen liebe? Er wird sich
hinter seinem verdammten Edelmut verbarrikadieren, und mir das ganze Paket
schlechten Gewissens überlassen. Ich schiebe den Gedanken schnell weg. Ich kann
es nicht mehr ändern, es ist jetzt so, und ich werde nicht wegen Lucius`
Moralvorstellungen auf mein Glück verzichten. Nein. Nein. Nein. Ich werde es
nicht. Ganz bestimmt werde ich es nicht. Ich schaue hilfesuchend zu Raffael
hinüber. Was erzählt er denn da eigentlich? Ich muss schmunzeln über ihn, er
ist so ein begeisterter Patriot, mein bezaubernder Erzengel, dass er immer noch
Lamdans Gedicht hochhält, diesen Faschistendreck, an den hier heute nur die ewig
Gestrigen noch glauben.
    „Viele Menschen in Israel erinnern sich, wie sie hoch oben
auf dem Felsen im Morgengrauen einen Abschnitt aus dem 7. Buch des Jüdischen
Krieges deklamierten. Am beliebtesten war die Rede des Eleazar ben Jair,
des Anführers der Zeloten und Initiator des Massenselbstmordes.“
    Er wird mich nicht ernähren können. Er hat ja so viele
Kinder zu unterstützen. Und Linda kann er auch nicht im Dreck sitzen lassen.
Was mache ich dann? Ich muss unbedingt autark bleiben. Unbedingt. Sonst falle ich
ihm zur Last und gehe ihm auf die Nerven. Wenn ich mich eingerichtet habe in
Jerusalem, werde ich mir sofort eine Arbeit suchen. Vielleicht gehe ich zurück
ins Israel-Museum oder ich arbeite als Reiseleiterin. Mir wird schon das
passende einfallen, mir ist immer etwas eingefallen. Was wird Otto Guttmann
sagen? Ob Raffi wohl will, dass ich konvertiere?
    „Einer der jungen Leute, die nachts mit einer Gruppe von
Kameraden den Felsen von Masada erklommen hatten, war Yigal Yadin. Er wurde
später der Leiter der archäologischen Ausgrabungen auf Masada. Die Erfolge
seiner Grabungen und sein Enthusiasmus bewirkten, dass der Mythos Masada in der
israelischen Öffentlichkeit noch tiefer verwurzelt wurde.“
    Oh je, mein Liebling, was erzählt Du da! Yadin, der
einheimische Archäologen-Star, der nebenbei auch noch General im
Unabhängigkeitskrieg war, vergriff sich oft vor lauter patriotischer
Begeisterung in der Interpretation seiner Funde auf Masada. Alles hatte bei ihm
nur einen Zweck und Sinn: Die Scherben der Vergangenheit als Symbol der
Tapferkeit und Ehrung der großen jüdischen Nationalhelden heranzuziehen. Fand
er eine Ostraka mit dem Namen Ben Jair eingeritzt, waren es für ihn
sofort Scherben, mit denen die Zeloten die Kandidaten ausgelost hatten, die die
übrigen umbringen mussten. Einmal grub er 25 Skelette aus und behauptete noch
vor der genauen Untersuchung der Knochen, sie stammten von den Verteidigern Masadas.
Vieles, was Yigal tat, hatte nur bedingt mit Wissenschaft zu tun. Bei allem
Respekt.
    „Bist Du auch da oben vereidigt worden?“ frage ich.
    „Ja, ja. Als es bei mir damals so weit war, wurde allen
israelischen Soldaten auf Masada der Eid abgenommen. Heute finden die
Vereidigungen meist nur noch in den Kasernen statt.“ Das klingt fast ein wenig
enttäuscht. Mein kriegerischer Engel hängt an alten Zöpfen. Ist das goldig. Er
scheint es zu bedauern, dass die Arbeiterpartei und mit ihr die Armeeführung
auf diesen nationalistischen Kitsch nunmehr weitgehend verzichtet.
    Er schaltet das Mikrofon aus. „Wir sind gleich da.“ sagt er
und legt sacht seine Hand zwischen unsere Beine und streichelt meinen Schenkel.
Mir zieht es die Nervenstränge zusammen. Ich liebe ihn so. Vorsichtig lege ich
meine Hand in seine, versteckt und heimlich, und sehe, dass er die Augen
zudrückt und tief durchatmet. Ich stoße ihn ein klein wenig an, er drückt meine
Hand, und ich denke, wenn es nur endlich schon Abend wäre.
    Der Parkplatz ist voll. Es ist Schabbat, und Masada immer
noch ein beliebtes Ausflugsziel. Wer keine Lust zum Beten hat, fährt mit dem
Auto im Land herum. Wir werden eine Ewigkeit an der Seilbahn anstehen und
warten müssen.
    „Ich laufe voraus“, sagt Raffi. „komm` Du mit den Leuten
nach. Aber stell` Dich nicht hinten an, sondern komm` direkt nach vorne.“ Als
ich mit meiner Gruppe im Schlepptau an den wartenden Ausflüglern vorbeigehe,
höre ich unmutiges Gebrummel. Raffi winkt uns herbei, er steht direkt am
Eingang zur Bahn, vor der langen Menschenschlange. Er dreht den wartenden
Ausflüglern sein breites Kreuz zu, hat sein eisernes Gesicht aufgesetzt und
schiebt uns völlig ungerührt durch die Kontrolle. Die wütenden

Weitere Kostenlose Bücher