Der Mann aus Israel (German Edition)
Gesicht, sein Blick ist
angespannt, beinahe aggressiv. Als unsere Blicke sich treffen, versinke ich
augenblicklich im tiefen Grün seiner Augen.
„Warum bist Du denn so abweisend?“ Die Schlagader an seinem
Hals ist weit hervorgetreten und pulsiert heftig, seine Stimme ist barsch.
„Hast Du schon genug von mir?“
„Ja, aber Raffi, Du hast doch...“ Ich schlinge die Arme um
seinen Hals, bedecke sein Gesicht mit tausend Küssen. Es ist mir ganz egal, ob
uns jemand beobachtet. „Raffi, mein Geliebter.“ Sein Gesicht entspannt sich
langsam. „Ich meine, Du wolltest es doch, dass wir uns ignorieren vor den
Leuten... Ich versuche nur...“ Ich stottere Unzusammenhängendes vor mich hin.
Die Erleichterung ist so grenzenlos, dass ich gleichzeitig lache und weine. Ich
spüre, wie das Strahlen in mein Gesicht zurückkehrt. Er nimmt mich behutsam in
den Arm und flüstert leise. „Psst, kleines Mädchen, es ist schon gut.“ Er hält
mich ganz fest an den Schultern. „Ich war mir für einen Moment nicht mehr
sicher. Du bist eine verdammt gute Schauspielerin.“
Er lässt mich los und kramt in seiner Hosentasche. „Wir
werden das schon durchstehen, ja?“ Er legt mir etwas in die Hand. „Hier, nimm`
das. Ich habe mich noch nie von ihr getrennt. Behalte sie bis heute Abend. So
bin ich ganz nah bei Dir.“ Er lächelt mich an, mir wird ganz schwindlig vor Glück.
„Vorsicht, Elisabeth, sie kommen.“ Er dreht sich um und verschwindet im
Toilettenhäuschen.
Ich öffne meine Handfläche und sehe eine abgegriffene,
kleine Münze darin liegen. Ich betrachte sie näher, sie ist uneben und hat zwei
Einkerbungen an den Seiten. Sie muss echt sein, denke ich, keine dieser
fabelhaft intakten Kopien. Jetzt erkenne ich, was darauf abgebildet ist, mir
bleibt beinahe das Herz stehen vor Überraschung: es ist eine vergoldete Judaea-capta -Münze.
Die trauernde Frau unter der Palme ist kaum noch zu erkennen. Das Gold ist
abgeblättert. Mich hat schon einmal eine solche Münze begleitet. Damals war sie
ein Abschiedsgeschenk gewesen.
„Raffi, rutsch` mal auf die Seite.“ rufe ich gut gelaunt und
von einer gewaltigen Last befreit, als ich in den Bus klettere. „Ich kann nicht
länger da vorne sitzen, es ist so heiß, dass ich mir vorkomme wie ein
Spiegelei.“
„Na, wenn es denn sein muss.“ knurrt der Erzengel und macht
mir Platz neben sich. Er schaut in die andere Richtung, pfeift vor sich hin. Er
ignoriert mich. Es ist wunderbar. Ich setze mich neben ihn und muss mir das
Lachen verkneifen. Die Bank ist so eng, dass ich Raffis nackte Arme berühre.
Ein herrlicher Schauer durchjagt mich. Ich könnte schreien vor Glück, würde am
liebsten die Arme in die Höhe reißen und Halleluja singen. Aber ich darf
ja nicht, muss stillhalten. Stattdessen umfasse ich die kleine Münze in meiner
Hosentasche ganz fest.
„Schauen Sie nur, meine Damen und Herren, wie wunderschön
das Wasser des Toten Meeres in der Morgensonne glitzert und sich die Berge
jenseits des Ufers darin spiegeln.“ Ich kann mich nicht sattsehen an dem
prächtigen Bild. Wie ein feines Pastellgemälde liegt der Zaubersee in seiner
Mulde, 400 Meter unter dem Meeresspiegel.
Die ersten Heilbäder tauchen am Ufer auf, mit
Mineralquellen, die schon die Römer benutzten. Zusätzlich unterstützt von der
pollenreinen Luft kann dort vom Hexenschuss bis zur Schuppenflechte alles
Mögliche geheilt werden.
„Aber bevor wir einen faulen Nachmittag einlegen, werden wir
noch die Festung Masada erobern.“ Wie ein Schiffsbug taucht in weiter Ferne der
hohe Felsen des israelischen Nationalheiligtums „Masada“ vor uns auf. Herodes ließ
die Festung einst bauen, die ihm als Zuflucht dienen sollte vor dem drohenden
Einmarsch der Pharaonin Kleopatra in Judäa. Doch das, was Masada zum Mythos
erhob, gleichsam zum geographischen Hauptdarsteller in der zionistischen
Ideologie des 20. Jahrhunderts, geschah hundert Jahre später, nach der
Zerstörung Jerusalems im Jahre siebzig, dem Beginn des 2000jährigen Exils der
Juden.
Ich schiele ein wenig zur Seite. Diese Geschichte ist
eigentlich Raffis Revier. „Na, erzählst Du uns was von Deinen heroischen
Vorfahren dort oben auf dem Felsen?“ frage ich ihn lachend. Er nickt und nimmt
mir das Mikrofon ab. Dabei berührt er wie zufällig meine Hand, und schon fängt
mein Herz zu tanzen an.
„Nach der Zerstörung von Jerusalem durch die Römer
verschanzten sich an die tausend Zeloten in der Wüstenfestung Masada.“
Ich
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