Der Mann aus Israel (German Edition)
der hitzige Verteidiger von Eretz
Israel ist vierundzwanzig Stunden im Einsatz, denke ich.
„Möchtest Du unbedingt in den Schlamm?“ fragt er, und ich
schüttle verneinend den Kopf. „Ins Meer?“
„Nein, eigentlich auch nicht.“
„Ah, wunderbar.“ Er nickt zufrieden. „Dann gehen wir ein
bisschen in die Schwefelbecken und dann an den Pool. Gut?“
„Mhm, sehr gut.“ Überall folge ich Dir hin, denke ich, es
ist mir ganz egal wohin. Ich laufe einfach hinter Dir her. Nie war ich so
glücklich. Weggeblasen ist die bittersüße Wehmut, die mein Leben überschattete.
Wie ein allegretto- Satz kommt mir das Leben vor, leichtfüßig und
fröhlich, seit mich Raffaels Hände berührten, und ich ihm gehöre.
Feuchte Luft hängt in der Eingangshalle der Badeanstalt. Die
hohen Fensterscheiben sind beschlagen, auf dem Boden steht abgestandenes
Wasser. Im Nu kleben meine Haare am Kopf, ich spüre, wie Schweißperlen mein
Gesicht bedecken. Wir müssen über Holzstege gehen, darunter quietscht
schmuddeliges Wasser. Ein dicker Mann in grünem Mantel fragt unfreundlich nach
unseren Eintrittskarten. Wir zeigen sie vor, jeder bekommt wortlos ein
plattgedrücktes Handtuch aus dünnem Flies und ein Plastikkettchen mit einem
Schlüssel daran ausgehändigt. Mein Schlüssel trägt die Nummer 468. Hinter der
Kontrollschranke stehen unzählige weiße Plastikliegen im Dunst der Halle, die
von halbnackten Menschen belagert sind. Männer mit behaarten Körpern und dicken
Bäuchen und viel zu kleinen Badehosen, über deren Rand die Fettringe hängen.
Den Frauen kleben die feuchten Strähnen über die feisten Schultern. Ich sehe
nichts als unappetitliche Menschen in einer Wabe stinkenden Nebels. Mir graust.
Wenn ich da nur nicht hineinmüsste, denke ich verzweifelt. Mir wird gleich
schlecht. Raffael schiebt mich weiter. „Wir müssen uns hier trennen.“ sagt er
und schaut mich lachend an. „Keine Angst, nur für ein paar Sekunden. Weißt Du,
auch bei uns müssen sich Männer und Frauen getrennt umziehen.“ Ich zögere einen
Moment, ich will nicht weitergehen. Mich schüttelt es vor Ekel. Was soll ich
hier. Badeanstalten waren für mich immer schon widerwärtige Orte, verschwitzt
und abgewetzt, von Proleten bevölkert. „Ist es hier nicht schön genug für Germania ?“
höre ich ihn fragen. „Hast Du in Deiner Villa etwa auch ein Privat-Thermalbad?“
„Ach, Raffi, jetzt sei doch nicht so empfindlich. Ich finde
es halt schrecklich hier. Ganz einfach.“ antworte ich. Nicht nur jedes Wort,
das ich sage, muss ich mir vorher genauestens überlegen, auch meine
Empfindungen stehen unter strenger Kontrolle. „Ich bin nicht gleich ein
Antisemit, nur weil es mir hier unangenehm ist.“
„Unangenehm?“ Er packt mich am Arm. „Ist Dir klar, dass dies
hier für mich ziemlicher Luxus ist, den ich mir höchstens zu den hohen
Feiertagen leisten kann? Verstehst Du das, Du Operettendiva?“
Ich hole tief Luft. Nur jetzt keinen Streit, denke ich.
„Scht, mein Süßer“, ich hake mich bei ihm ein. „Du musst
nicht gleich Amok laufen. Ich suche jetzt ganz brav meine Kabine und treffe
Dich dann im Schwefelteich. Okay?“
Auf dem Weg zu den Kabinen, gehe ich an unförmigen Frauen in
Strickröcken und schwarzen Pullovern vorbei. Mir ist schon so heiß, wie mögen
sich diese Matronen erst fühlen. In der Umkleidekabine ist der Kleiderhaken
abgebrochen, ich muss meine Wäsche auf den feuchten Boden legen. Ich zwänge
mich in meinen Badeanzug. Um mich herum riecht es nach Fußschweiß und billigen
Deodorants. Ich knülle meine Kleider samt Schuhen in die Plastiktüte und stopfe
sie in das Kästchen Nummer 468. Vor dem Schwefelpool steht ein großes Schild
„Duschen Sie sich vor dem Benutzen“. Ich kehre um und gehe in den Waschraum. Es
ist keine Dusche frei, ich muss mich einen Moment auf die Holzbank setzen.
Neben mir lagert eine nackte Frau von kolossalen Ausmaßen. Wie halbleere
Luftballons hängen ihre gewaltigen Brüste auf den mächtigen Bauch. Übergangslos
reihen sich an die Fettringe des Bauches die der Schenkel. Die Oberfläche ihrer
Fettberge ist übersät von großen Poren mit Löchern in der Mitte. Sehen aus wie
Geysire, denke ich, gleich wird das Fett herausspritzen. Ich bin angewidert und
kann doch meinen Blick nicht von dieser monströsen Riesin abwenden. Sie merkt
es und haut mir mit einem gurgelnden Lachen ihre schweren Pranken auf die
Schultern.
„ Mala moja, ti si ko tschatschkalitza .“ sagt sie
fröhlich
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