Der Mann aus Israel (German Edition)
Vöglein durch die Drähte
tanzen.“
„Mhm.“ macht Raffi. Ich stoße in die Rippen. „Erzähle doch
Du auch mal etwas aus Deinem Leben.“ fordere ich ihn auf.
„Hinter mir liegt nur Schieße. Weshalb sollte ich davon
sprechen?“ bekomme ich zur Antwort.
„Raffi?“
„Ja?“
„Ich liebe Dich.“
Er antwortet nicht. Er nimmt meine Hand und betrachtet sie
lange. Dann stößt er sich am Beckenrand ab und schwimmt mit kräftigen Schlägen
durch den Pool.
Raffael lehnt am Tresen des Kioskes in der Eingangshalle,
den Ellenbogen aufgestützt, ein Bein lässig über das andere gestellt, als ich
aus der Umkleidekabine komme. Er sieht aus wie ein fleischiges Raubtier, ich
möchte ihm über die Hüften streichen.
„Du musst unbedingt das Eis hier probieren. Es ist einfach
himmlisch.“ sagt Raffael. Er bestellt zwei Vanilleeis. Die Blondine an der
Eismaschine reicht ihm die Waffel mit zwei Kugeln.
„Ich bin Reiseleiter.“ sagt er, als sie drei Schekel dafür
will.
„Ah, okay. Für Dich kostet es dann nur einen Schekel.“
antwortet sie ihm und gibt mir meine Portion über den Tresen. Ich nehme die
Waffel und drehe mich dem Ausgang zu.
„Hey“, ruft die Blondine, „wie wäre es mit Bezahlen? Her mit
den drei Schekeln.“
Ach so, denke ich erschrocken und spüre, wie ich rot werde.
Das war doch eine Einladung. Oder? Ich blicke zu Raffi hinüber. Er schleckt
voller Genuss an seinem Eis, zeigt keinerlei Interesse. Schnell zahle ich die
drei Schekel.
Raffi pfeift leise die Melodie von Bachs Air mit,
die mit Geigen, elektronischer Orgel und Rhythmussynthesizer verkitscht aus den
Lautsprechern klingt. Wir gehen zum Bus. Mag ja sein, dass er viel weiß,
folgere ich mit leichtem Unbehagen, aber Benehmen hat er keines.
„Du wirst sehen, meine Taube, Deine Leute werden die gesamte
Fahrt über bis Jerusalem beglückt schlafen. Wir müssen ihnen nichts mehr
erzählen, der Schlamm und das Wasser sind die besten Schlaftabletten.“ Er
lächelt mich verschmitzt an, streckt die Zunge ein wenig aus dem Mund und zieht
die Nase kraus. „Bald haben wir es geschafft, Elisabeth.“ Ich sehe seine
rosarote Zungenspitze, und zwischen meinen Beinen beginnt die Lust auf ihn zu pulsieren.
Wie ein Fischmaul öffnen und schließen sich meine erregten Schamlippen. Mir
wird heiß vor Verlangen. Bald, ganz bald werden wir auf dem weißen Damast
meines Bettes liegen und all die Liebesworte flüstern, die unserer Begierde
entwachsen. Raffael, denke ich, mein König Salomon, mein furchtloser Eroberer,
mein finsteres Tier.
„Ich muss nur noch schnell zu Idas Schiwa, heute ist
der letzte Tag. Aber das dauert nicht lange. Höchstens eine Stunde. Sobald der
Schabbat ausgeläutet ist, gehe ich hin.“ sagt er in meine Träumereien hinein.
Was? Noch länger soll ich warten? Ich atme tief durch, er soll meine
Enttäuschung nicht bemerken.
„Echt? Dann nimm` mich doch mit.“ Mir ist gar nicht nach
Trauersitzung zumute. Aber neugierig bin ich schon auf diese fremde Sitte. „Ich
war noch nie auf einer Schiwa . Das interessiert mich sehr.“
„Was solltest Du da wollen?“ Er betont das Du und
mustert mich dem schnellen, scharfen Blick, den ich beinahe schon vergessen
hatte. „Da gehörst Du nicht hin. Du bist keine Jüdin.“
„Wenn ich ein Araber wäre, würde ich Dich Rassistenschwein
jetzt mit einem Dumdum-Geschoss in tausend Stücke zerfetzen, Du riesengroßes,
verdammtes Arschloch. Und ich würde mich an dem Anblick freuen.“ Ich zittere
vor Wut. Wie kann er es wagen, mich wie ein lepröses Ungeziefer zu behandeln,
einfach auszuschließen aus seiner heiligen Judenwelt, eindeutig und knallhart.
Zugang nur für die Auserkorenen, die Auserwählten. Die unwürdige Deutsche muss draußen
bleiben. Ins Bett geht er mit mir, denke ich aufgebracht, aber trauern will er
alleine.
„Hoppla, mein Fräulein“, er lacht laut auf, seine kleinen
Fältchen an den Ohren ziehen sich zusammen. „Du amüsierst mich, Elisabeth. Ich
wusste gar nicht, dass in Dir ein Terrorist steckt. Deine Augen schielen ja
geradezu vor Aggression.“ Er verschluckt sich, so lustig findet er meinen
Ausbruch. „Aber wenn Du gerne trauernde Juden besuchen möchtest, dann komm` nur
mit. Ich werde Dich für eine Stunde zu einer Cousine der Familie ernennen. Eine
Zufallsverwandte aus den Restbeständen des deutschen Zweiges der Familie meiner
Mutter. Merk` Dir, sie hieß Hannah Saloschin. Und Du bist die Tochter ihrer
Cousine Hedwig, die einen Goj geheiratet
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