Der Mann aus Israel (German Edition)
und seift sich weiter ein. Die goldenen Schneidezähne glänzen. Tschatschkalitza ,
was das wohl heißen mag? Und in welcher Sprache? Oh, mein Gott, denke ich, ich
bin hier in einer Irrenanstalt gelandet.
„Was ist das tschatschkalitza?“ versuche ich es auf
Hebräisch. Sie nimmt eine Hand und fährt sich graziös wie mit einem imaginären
Zahnstocher durch den Mund. Ach so, denke ich, sie meint, ich sei so dünn wie
ein Zahnstocher! Sie klopft mit einer Hand auf meine Hüften.
“Nur Knochen!“ sagt sie mit einem harten Akzent. Russisch?
Serbisch? Polnisch? „Da tun sich die Männer ja weh. Schau, mein Täubchen, bei
mir stößt sich keiner.“ ruft sie begeistert und offeriert mit ausgebreiteten
Armen ihren ausufernden Leib. Sie nimmt mich lachend in die Arme, und ich
versinke in ihrem glitschigen Fleisch. In mir entlädt sich eine heiße Welle der
Abneigung. Ganz ruhig, Elisabeth, ganz ruhig, befehle ich mir, zähl` bis drei
und mach` Dich aus dem Staub. Weshalb verlässt mich nur der Humor immer dann,
wenn ich ihn am dringendsten brauche, denke ich verzweifelt. Ich befreie mich
aus den Klauen des lachenden Fruchtbarkeitsmonsters und stürze zur Dusche. Du
wirst Dich in diesem Land schon einleben, rede ich auf mich ein, und an den
hohen Feiertagen werden wir einfach zu Hause bleiben.
Raffi liegt schon in der heißen, grünen Brühe, als ich aus
dem Duschraum haste. Ich atme tief durch und steige die Treppen hinunter, die
ins Wasser führen. Leichter Schwefelgeruch strömt mir entgegen.
„Komm, meine Gazelle“, lächelt er mir zu, „dieses Wasser
macht Deinen Körper weich.“ Er nimmt meine Hand und küsst sie auf die
Innenfläche. Der leichte Hauch seines Kusses tänzelt durch meinen Körper, mir
wird warm dabei. Ich erwidere sein vertrautes Lächeln. „Du bist mein
Weichmacher, Raffi, ich brauche dieses Wasser gar nicht.“ Und du wirst es immer
bleiben, denke ich, nur du zählst noch in meinem Leben. Sonst gar nichts mehr.
Bald wird er mich fragen, ob ich bleibe, und ich werde sagen: Ja, natürlich.
„Leg` Dich auf den Rücken.“ sagt Raffael.
Das Wasser trägt mich ohne Schwimmbewegungen. Den Rest
meines Lebens wird mich das lustvolle Verlangen nach diesem Mann begleiten,
träume ich glücklich vor mich hin. Mein Herz hämmert wild, wenn ich mir all die
Dinge vorstelle, die wir zusammen tun werden. Ein herrliches, sinnliches Leben
liegt vor mir. Endlich kann ich die phönizischen Tontafeln in die Ecke knallen.
Wirklich interessiert haben sie mich eigentlich nie.
Wir liegen auf dem Rücken und treiben durch das Bassin, Hand
in Hand. Nur die Fußspitzen schauen aus dem Wasser heraus. „Beinahe zwanzig
Prozent Salz hat dieses Wasser und ist mit Schwefel angereichert. Damit
bekommst Du sogar ein Reibeisen glatt.“ Ruft er mir zu und zieht mich an sich.
„Ich möchte Dich lieben, Elisabeth, immerzu lieben.“ flüstert er mir ins Ohr.
„Versuche es doch! Liebe mich, Raffi. Jetzt! Hier!“ Lachend
gebe ich ihm einen kleinen Schubs, er taucht unter, kommt schnaubend auf mich
zu gepaddelt.
„Warte nur! Warte! Ich erwische Dich schon.“ prustet er, ich
stoße ihn mit dem Fuß ganz leicht in den Bauch, er packt mich an den Beinen.
Für einen Moment liegen wir aufeinander.
„Ah, herrlich. Elisabeth! Cosi cosi, ti voglio! “
Brüllt er laut und stöhnt genussvoll. Die Badenden in den anderen Becken
unterbrechen für einen Moment ihre Gespräche und schauen zu uns herüber.
Im milden Sonnenlicht des tiefsten Ortes der Erde sitzen
wir am Poolrand, die Beine baumeln im Wasser. Ich betrachte Raffi, wie er auf
die gekräuselten Wellen schaut. Das Glitzern des Wassers spiegelt sich in
seinen grünen Augen. Sie sind durchsichtig wie Glaskugeln. Er erzählt überhaupt
nichts von sich selbst, denke ich, alles was ich über ihn weiß, stammt von Otto
Guttmann.
Ich unterhalte ihn mit kleinen Geschichten aus meinem Leben,
ich weiß gar nicht recht, ob er überhaupt zuhört. Jedenfalls reagiert er nicht.
„Weißt Du, Ari hat in seinem Garten einen kleinen privaten
Hangar. Darin steht sein Ultralight. Ganze fünfzig Kilo wiegt der
winzige Vogel. Stell Dir das vor! Ari zieht das Flugzeug mit einer Hand aus dem
Hangar und startet auf einem klitzekleinen Acker hinter seinem Haus. Ein paar
Mal hat er mich mitgenommen. Es war wunderschön. Man fliegt nicht hoch mit so
einem Ding. Vielleicht achtzig Meter. Manchmal sind die Hochspannungsleitungen
im Weg. Mit ein paar Schleifen lässt Ari dann sein
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