Der Mann aus Israel (German Edition)
starrt
mich wütend an. Ich kann auch gemein sein, denke ich, dieses Monopol gehört
nicht Dir allein, mein allerwertester Herr Oberst aus dem Land der
Auserwählten. „Aber das gilt natürlich nicht nur für die deutschen Juden.“
fahre ich fort. „Die meisten Einwanderer, sowohl Holocaust-Überlebende als auch
Juden aus der islamischen Welt, waren nicht nach Israel eingewandert, weil sie
dem Exil entfliehen wollten. Sie kamen ganz einfach deswegen, weil kein anderes
Land auf unserer Erde sie aufnahm. Sie waren Flüchtlinge, keine zionistischen
Idealisten. Deshalb waren viele von ihnen alles andere als begeistert, dass sie
ihre angestammte Kultur und Identität als Juden gegen die hypothetische
Identität des „neuen Menschen“, einer Phantasmagorie von Ben Gurion,eintauschen
sollten .“ Nur noch zwei Minuten, und wir sind am Hotel. Ich überspringe
jetzt einfach wichtige Zusammenhänge. Die Geschichtsschreibung ist mir im
Moment vollkommen gleichgültig, Raffael gelten meine Worte. Und schmerzen
sollen sie ihn. „Und so kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass die
heutigen Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft „Israel“ zwar eine doppelte
Identität als Israelis wie auch als Juden hat, das Ziel aber, einen sogenannten
„neuen Menschen“, was natürlich nichts anderes heißt als einen besseren, zu
schaffen, verfehlt wurde.“
Khalil stoppt den Bus an der eleganten, blumenumrankten
Auffahrt zum Hotel.
„Musste das sein?“ fährt mich der Erzengel an.
„Gegen die Historie kannst selbst Du nichts machen, mein
Herz.“ Ich lache ihn vergnügt an. Der Schlag hat gesessen, ich bin zufrieden.
„Aber weißt Du, Raffi, das ist ja nur die Meinung Eurer neuen Historiker, nicht
meine. Für mich bist Du der Größte, und ich bin Dir untertan.“ Ich trällere ihm
Evas demutsvolle Arie aus der Schöpfung vor. „ Und Dir gehorchen und
Dir gehorchen, bringt mir Freude, Glück und Ruhm. Und Deine Liebe sei mein
Lohn.“
Bevor wir aus dem Bus steigen können, kommt Frau Albertz auf
uns zu, nimmt unsere Hände und drückt sie fest.
„Es ist unser letzter Abend in Israel.“ sagt sie traurig.
„Wir wollen uns gerne angemessen von Ihnen verabschieden. Dürfen wir Sie nach
dem Abendessen zu einem Gläschen Wein einladen?“
Das ist ein rührender Gedanke, aber diese unerwünschte
Einladung passt überhaupt nicht in unser Programm, denke ich.
„Nach dem Abendessen werden Sie alle Koffer packen wollen.“
Ich muss jetzt schnell reagieren. „Wäre es nicht besser, wir würden uns vorher
treffen? Ich weiß auch schon wo.“ Ich darf keine Widerrede zulassen. Also rede
ich rasch weiter. „Ich habe das unverschämte Glück, eine wunderschöne Terrasse
vor meinem Zimmer zu haben. Dahin lade ich Sie ein. Zum Sonnenuntergang. Dann
können Sie Jerusalem noch einmal im goldenen Abendlicht fotografieren.“ Ich bin
stolz über diesen Einfall. „Vergessen Sie also Ihren Apparat nicht. Ich sorge
für Gläser und Stühle. Sie bringen den Wein mit. Ja? Zimmer Nummer 2208.“ Alle
nicken begeistert.
Die Sirene, die den Schabbat ausläutet, schallt über die
heilige Stadt.
„Kannst Du in fünf Minuten wieder unten sein?“ fragt Raffael
mich im Lift. Er hat den Knopf mit der Zwei gedrückt. Ich wohne zwanzig
Stockwerke über ihm.
Ich nicke. „Was muss ich anziehen?“ Meine Finger sind schon
wieder feucht von Schweiß, wie vor meinem Besuch bei Otto Guttmann.
„Egal.“ Der Lift hält. Raffael stellt den Fuß in die offene
Tür, legt seine Hand um meinen Hals und zieht mich an sich. Zart berühren seine
Lippen die meinen, weich und geschmeidig umschmeichelt er meinen Mund, er zieht
und saugt an meinem Fleisch mit kleinen, schmatzenden Geräuschen. Ich spüre
seine Zunge, wie sie sich feucht und tänzelnd ihren Weg durch die Spalte meines
Mundes sucht. Unsere Zungen treffen sich und tanzen einen kurzen, erregten
Tango miteinander. Er stöhnt und hält mich fest umschlungen. Ich kann sein
steifes Glied spüren. Hart wie Stein, denke ich. Wenn es nur jetzt ginge, ich
habe solche Lust. Dieser Rausch darf nicht aufhören. Ich will ihn spüren. In
mir. Jetzt. Er soll sich in mir bewegen.
„Ach, Elisabeth, ich will Dich so.“ Ich höre seine Stimme
wie aus weiter Ferne. Gott, was ist aus mir geworden, denke ich, nie habe ich solche
Gedanken gedacht, nie war ich geil auf den Schwanz eines Mannes. Und jetzt
stehe ich in einem Jerusalemer Aufzug und will gevögelt werden und sonst
nichts. „Ich will dich,
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