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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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nicht schwer, mit ihr Schritt zu halten. Er folgte den beiden Männern durch die City, den Strand entlang, dann durch den St. James’s Park. Jenseits der Anlagen bog die Kutsche in eine kleine Straße ein und verschwand dann wenige Meter weiter in einem ummauerten Vorhof.
    Felix sprang von seinem Fahrrad, schob es über den Rasen am Rande des Parks und blieb dann auf der Straße gegenüber der Toreinfahrt stehen. Er sah die Kutsche vor der imposanten Fassade eines großen Hauses halten. Über das Kutschendach hinweg erblickte er gerade noch den schwarzen und den grauen Zylinder, dann verschwanden die Männer im Haus.

    Lydia warf einen kritischen Blick auf ihre Tochter. Charlotte stand vor einem großen Spiegel und probierte das Debütantinnenkleid an, das sie zu ihrem Antrittsbesuch bei Hof tragen sollte. Madame Bourdon, die schlanke, elegante Schneiderin war mit dem Anstecken von Nadeln beschäftigt, schob hier eine Falte zurecht, straffte dort eine Rüsche.
    Charlotte sah schön und unschuldsvoll aus – genau so, wie man es von einer Debütantin erwartete. Das mit Kristallpailletten bestickte weiße Tüllkleid hing fast bis zum Boden und bedeckte zum Teil die kleinen spitzen Schuhe. Unter dem Halsausschnitt, der bis zur Taille reichte, trug sie ein kristallbesticktes Mieder. Die Schleppe war mehr als drei Meter lang, aus Silberlame, mit rosa Chiffon besetzt und am Ende mit einer großen weiß-silbernen Schleife versehen. Charlotte hatte ihr dunkles Haar hoch auffrisiert und mit einer Tiara befestigt, die einst der letzten Lady Waiden, Stephens Mutter, gehört hatte. In ihrem Haar trug sie – der Vorschrift gemäß – die beiden weißen Federn.
    Sie ist fast erwachsen, dachte Lydia, bevor sie zur Schneiderin sagte: »Es ist wirklich ganz allerliebst, Madame Bourdon.«
    »Ich danke Ihnen, Gnädigste.«
    Charlotte zeterte: »Es ist furchtbar unbequem.«
    Lydia seufzte. Das war wieder einmal typisch für Charlotte, immer hatte sie etwas auszusetzen. »Mein Kind, ich wollte, du würdest nicht so unzufrieden sein.«
    Charlotte bückte sich, um ihre Schleppe aufzuheben. Lydia sagte: »Du brauchst dich nicht zu bücken. Schau, mach es mir nach, du mußt dich nur etwas nach links drehen.«
    Charlotte tat es, und die Schleppe fiel um ihre linke Seite.
    »Jetzt nimm sie mit dem linken Arm auf, und dann machst du eine Vierteldrehung nach links.«
    Jetzt erstreckte sich die Schleppe vor Charlotte auf dem Fußboden. »Mach einen Schritt vorwärts, nimm die rechte Hand und lege dir die Schleppe über den linken Arm, während du einen weiteren Schritt machst.«
    »So geht es.« Charlotte lächelte. Wenn sie lächelte, wurde es ihrer Mutter warm ums Herz. Früher war sie immer so, erinnerte sich Lydia. Als sie noch klein war, wußte ich stets, was in ihr vorging. Das Täuschen lernt man beim Erwachsenwerden.
    Charlotte fragte: »Woher weißt du das alles, Mama?«
    »Belindas Mutter, die erste Frau deines Onkels George, hat es mir beigebracht, bevor ich bei Hofe vorgestellt wurde.«
    Charlottes Gouvernante Marya trat ins Zimmer. Sie war eine tüchtige, unsentimentale Frau, die einzige Dienerin, die Lydia aus St. Petersburg mitgebracht hatte. Ihr Aussehen hatte sich in den neunzehn Jahren nicht verändert. Lydia hatte keine Ahnung, wie alt sie war. Fünfzig? Sechzig?
    Marya sagte: »Fürst Orlow ist angekommen, gnädige Frau. Aber, Charlotte, du siehst ja herrlich aus!«
    Es ist fast an der Zeit, daß Marya sich angewöhnt, sie Lady Charlotte zu nennen, fand Lydia. Sie sagte: »Komm herunter, sobald du dich umgezogen hast, Charlotte.«
    Charlotte begann sofort, sich die Schulterbänder, die ihre Schleppe hielten, abzuziehen. Lydia ging hinaus.
    Sie fand Stephen, an einem Glas Sherry nippend, im Wohnzimmer. Er berührte ihren nackten Arm und sagte:
    »Ich sehe dich gerne im Sommerkleid.«
    Sie lächelte. »Ich danke dir.« Sie fand, daß auch er sehr gut aussah in seinem grauen Gehrock und mit der silberfarbenen Krawatte. Sein Bart war grauer geworden. Wir beide hätten so glücklich sein können … Plötzlich hatte sie Lust, ihn auf die Wange zu küssen. Sie blickte sich im Zimmer um. Ein Lakai stand an der Anrichte und schenkte Sherry ein. Sie mußte ihre Anwandlung zurückhalten. Zögernd setzte sie sich und ließ sich ein Glas servieren. »Wie geht es Alex?«
    »Er hat sich kaum verändert«, erwiderte Stephen. »Du wirst ihn gleich sehen, er muß jeden Augenblick herunterkommen. Und wie steht es mit Charlottes

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