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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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unauffällig reist, ob sie auf geheimer Mission waren oder nicht.
    Würde er überhaupt kommen? Falls ja und noch dazu mit dem gleichen Zug, den Josef angegeben hatte, und falls er sich dann mit dem Grafen Waiden traf, wie Josef ebenfalls gemeldet hatte, gab es keinen Zweifel mehr, daß die Information der Wahrheit entsprach. Wenige Minuten vor der Ankunftszeit des Zuges fuhr eine von vier stattlichen Pferden gezogene Kutsche vorbei und rollte klappernd direkt auf den Bahnsteig. Vorne saß ein Kutscher und auf dem Rücksitz ein Lakai in Livree. Ein Eisenbahnbeamter in einem militärisch geschnittenen Uniformmantel mit glänzenden Knöpfen schritt hinter dem Wagen her. Er sprach mit dem Kutscher und wies ihn an, bis zum anderen Ende des Bahnsteigs zu fahren. Dann erschien der Bahnhofsvorsteher in Frack und Zylinder, setzte eine wichtige Miene auf, blickte auf seine Taschenuhr und verglich die Zeit mit der auf den Bahnhofsuhren. Er öffnete den Schlag der Kutsche und half dem Passagier beim Aussteigen.
    Der Eisenbahnbeamte kam an Felix’ Bank vorbei; Felix faßte ihn am Ärmel. »Entschuldigen Sie, mein Herr«, sagte er mit dem hilflosen Ausdruck eines ausländischen Touristen, »ist das der König von England?«
    Der Eisenbahnbeamte grinste. »Nein, es ist nur der Graf von Waiden.« Er ging weiter.
    Josef hatte also recht gehabt.
    Felix beobachtete Waiden mit den Augen eines Mörders. Er war hochgewachsen, etwa in Felix’ Größe, und kräftig gebaut – also leichter zu erschießen als ein kleiner Mann.
    Er mußte um die Fünfzig sein. Abgesehen von einem leichten Hinken schien er recht beweglich. Er konnte weglaufen, wenn auch nicht sehr schnell. Er trug einen von weitem erkennbaren hellgrauen Gehrock und einen Zylinder der gleichen Farbe. Das Haar unter dem Hut war kurz und glatt, sein Bart ähnelte dem des verstorbenen Königs Edward VII. Er stützte sich auf einen Spazierstock – eine mögliche Waffe … Der Kutscher, der Lakai und der Bahnhofsvorsteher schwirrten um ihn herum wie die Bienen um ihre Königin. Seine Haltung war lässig. Er blickte nicht auf seine Uhr, nahm keine Notiz von den Leuten um ihn herum. Das ist seine Gewohnheit, dachte Felix. Sein Leben lang ist er etwas Besonderes gewesen.
    Der Zug fuhr ein, die Schornsteine der Lokomotive rauchten. Jetzt könnte ich Orlow töten, dachte Felix und empfand für einen Augenblick die Erregung des Jägers, der sich nahe an seine Beute herangepirscht hat. Aber er hatte bereits beschlossen, es heute noch nicht zu tun. Er war hier, um zu beobachten, nicht um zu handeln. Seiner Meinung nach waren viele Morde der Anarchisten Stümpereien, weil sie zu hastig und spontan ausgeführt wurden. Im Gegensatz zu den meisten Anarchisten hielt er viel von Planung und Organisation.
    Der Zug kam schnaubend und dampfend zum Stehen. Felix stand auf und ging etwas näher auf den Bahnsteig zu. Am Ende des Zuges schien ein Sonderwagen angekoppelt zu sein, der sich von den anderen durch seinen frischen, glänzenden Anstrich unterschied. Dieser Wagen hielt direkt gegenüber von Waidens Kutsche. Der Bahnhofsvorsteher trat diensteifrig vor und öffnete formvollendet die Tür.
    Felix blickte gespannt über den Bahnsteig, beobachtete die schattige Öffnung, aus der seine Beute steigen sollte.
    Einen Augenblick warteten alle, dann war Orlow da. Er blieb eine Sekunde auf der Stufe stehen, gerade lange genug, daß Felix ihn erkennen konnte. Er war ziemlich klein, trug einen teuer aussehenden, schweren russischen Mantel mit Pelzkragen und einen schwarzen Zylinder. Sein Gesicht war rosig und jung, fast knabenhaft mit dem kleinen Schnurrbart und den glattrasierten Wangen. Er lächelte zögernd und wirkte verletzlich. Felix dachte: Wieviel Böses wird von Menschen mit unschuldigen Gesichtern getan.
    Orlow stieg aus dem Zug. Er und Waiden umarmten sich kurz auf russische Art, dann stiegen sie in die Kutsche.
    Eine ziemlich eilige Begrüßung, fand Felix.
    Der Lakai und zwei Träger begannen, das Gepäck in die Kutsche zu verladen. Es wurde ihnen bald klar, daß nicht alles hineinpaßte, und Felix dachte lächelnd an seinen halbleeren Pappkoffer.
    Die Kutsche wendete. Der Lakai mußte offenbar zurückbleiben, um sich um den Rest des Gepäcks zu kümmern. Die Träger traten an das Kutschenfenster. Eine Hand reichte heraus und ließ ein paar Münzen in ihre Dienstmützen fallen. Dann fuhr die Kutsche ab. Felix stieg auf sein Fahrrad und folgte ihr.
    Im Tumult des Londoner Verkehrs fiel es ihm

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