Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte

Titel: Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
fiel dann aber durch seinen langsamen Schritt hinter mich zurück. Eigentlich wäre es klug gewesen, diesem ominösen Menschen zu folgen. Dann aber hätte ich Borowski versetzen müssen. Was sich als nicht nötig erwies. Denn es war vielmehr der Österreicher, der nun in meinem Kielwasser trieb. Keineswegs professionell. Ich konnte ihn geradezu im Rücken riechen. Als ich mich im Restaurant des Hotels Graf Z. am bestellten Tisch niederließ, sah ich ihn im Eingangsbereich stehen. Ich beschloss, mich fürs Nächste nicht weiter um ihn zu kümmern. Er würde mir nicht abhandenkommen.
    Tat er auch nicht. Als ich mich zwei Stunden später von Borowski und seiner Begleiterin verabschiedete und hinauf zu meinem Zimmer fuhr, stand er im Aufzug. Zwischen uns ein weißhaariger Mann mit feuchten Augen, der an seiner viel zu jungen Begleiterin lehnte. Es war deutlich, dass es der Alkohol war, der die beiden zusammenhielt. Im dritten Stockwerk stieg ich aus dem Fahrstuhl. Hinter mir spürte ich die Bewegung einer Person. Nach einigen Schritten entschloss ich mich zu handeln, bevor der Österreicher es tun würde. Ich fuhr herum. Beinahe wäre meine Faust im Gesicht der Frau gelandet, die jedoch so betrunken war, dass sie an meinem zu einem Winkel ausgefahrenen Arm vorbeitaumelte, ohne die Bedrohung wahrgenommen zu haben – meinte ich. Ihr Vater oder Gatte oder was er darstellte, stand neben dem Aufzug an die Wand gelehnt, gab jetzt Geräusche des Unwohlseins von sich und rief nach seinem Schatzi. Das Schatzi aber war überraschend schnell mit dem Schlüssel zurechtgekommen und in ihrem Zimmer verschwunden. Die Tür jedoch hatte sie offen gelassen. Das alles brauchte mich nicht zu kümmern. Dennoch ging ich auf den Alten zu. Mein Mitleid galt der Tatsache, dass ich selbst bald ein alter Depp sein würde. Der Auslöser dieses Mitleids schaute mich an, als würde es ihm schwerfallen, einen Zweifel gedanklich zu festigen. Ich fasste seinen Arm, der sich wie eine aufgeweichte Papprolle anfühlte. Der Mann ließ sich bis zu seiner Tür zerren, machte sich aber mit einem Mal frei, jetzt mit einem Blick, als wäre ihm endlich klar geworden, dass ich nicht Schatzi sein konnte. Er beschimpfte mich, verstieg sich zu einigen unschönen Bemerkungen über meine Figur. Ich stieß ihn leicht an, woraufhin er im Vorraum seines Hotelzimmers landete. Von Schatzi sah ich bloß die nackten Füße, die über den Bettrand standen. Ich schloss die Tür und stampfte den Gang hinunter zu meinem eigenen Zimmer.
    Merkwürdigerweise hatte ich den Kerl vergessen, der mich verfolgte oder von dem ich es zumindest vermutete. Zu Recht, denn als ich eben mein Zimmer betreten wollte, erhielt ich meinerseits einen Stoß, der mich zwar nicht umwarf, aber zu einem Sprung in den Raum hinein nötigte. Er war es: der Österreicher mit den großen Nasenlöchern und der zerschossenen Hand. In der anderen hielt er eine Pistole. Es sah nicht aus, als könne er gut damit umgehen. Aber um den Abzug zu betätigen, würde es wohl reichen. Er konnte alles Mögliche treffen. Mich eingeschlossen. Breit genug war ich ja. Weshalb ich ihm mit einer Geste zu verstehen gab, wie beeindruckt ich sei. Ich ließ mich langsam auf einem der beiden roten Stühle nieder und bat den Mann, sich ebenfalls zu setzen, um die Sache in Ruhe abzuklären. Er zögerte, wirkte jetzt verlegen, als wäre ihm durchaus bewusst, dass es sich nicht gehörte, mit gezogenen Pistolen in fremde Hotelzimmer einzudringen. Er rückte den zweiten Stuhl ein wenig von mir weg und nahm umständlich Platz.
    Ich schenkte mir einen Schlehengeist ein (ein Geschenk Borowskis, der meine kleine Leidenschaft erkannt hatte, sie guthieß und förderte). Allerdings ging ich nicht so weit, auch meinem Gegenüber ein Gläschen anzubieten. In gewisser Weise schien er ja im Dienst zu sein. Wenngleich unbeamtet und in eigener Sache.
    »Bitte«, sagte ich und öffnete die Hände zu einer Geste, als säßen wir zu einem Vorstellungsgespräch beisammen.
    »Ich bin gekommen, um zu verhindern, dass Sie tun, was Sie vorhaben.«
    »Was habe ich vor?«
    »Einen Menschen zu töten.«
    »Guter Mann«, erregte ich mich, und zwar mit ehrlichem Bedauern ob einer solchen Dummheit, »warum gehen Sie nicht zur Polizei? Lassen Sie doch die Profis arbeiten. Lassen Sie Leute mit zwei gesunden Händen ans Werk. Leute, die für diesen ganzen Unfug wenigstens bezahlt werden.«
    »Kommen Sie mir nicht damit«, fuhr der Österreicher mich an. Ganz

Weitere Kostenlose Bücher