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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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Nebel. Daniel hielt die Hände für den Körper bereit. Der folgte rasch – so klein und so kalt, in Wolken gehüllt und glitzernd, als wäre er von einer Schicht Raureif überzogen. Daniels Finger blieben daran haften wie an einem Eisblock. Das Baby stieß einen Laut aus, der wie Wind klang, der jammernd über Brachland wehte. Das Fenster erzitterte und irgendetwas rüttelte an der Türklinke.
    »Mein Baby«, schluchzte Betty und es dauerte einen Moment, bis Daniel begriff, dass sie damit das Ding in seinen Händen meinte. Er legte es ihr in die ausgestreckten Arme. Sofort hörte es auf zu weinen. Als sie das Kind an die Brust legte, erhob sich ein Zischen wie von einem glühenden Brandeisen, das zum Kühlen in einen Eimer Wasser getaucht wurde. Der Geruch von verbranntem Zucker (Daniel kam er vor wie der Geruch der Hölle selbst) erfüllte den Raum.
    Während er nur reglos dastand und Betty anstarrte, die das Ding in ihren Armen wiegte und tröstete und streichelte, schien es sich zu beruhigen. Nun glich es schon ein wenig mehr einem normalen Baby aus Fleisch und Blut anstelle von hartem Eis. Betty stieß einen Laut vollkommener Verzückung aus. Daniel bekreuzigte sich.
    »Hallo«, flüsterte sie voller Ehrfurcht. »Bist du aber ein Hübscher.« Dann blickte sie zu Daniel auf und sagte: »Ein Junge, Daniel! Ich werde ihn Finn nennen.«

Elsa erwachte am frühen Morgen vom Geräusch des Windes, der durch Thunderstown fegte. Erst als sie sich in ihrem Bett aufsetzte, wurde ihr klar, dass sie es nun nicht mehr hörte, dass sie es womöglich nur geträumt hatte. Durch einen Spalt zwischen den Vorhängen beobachtete sie, wie sich der Himmel mit jenem trüben Dämmerlicht füllte, das einen Tag versprach, an dem die Hitze schon beim Sonnenaufgang einsetzte. Die Luft war über Nacht dick und schwer geworden. Es war, als müsste sie durch einen Schleier atmen.
    Elsa stand auf, um sich ein Glas Wasser zu holen. Sie trank es am Fenster und zog die Vorhänge auf, um in die schlafende Welt hinauszublicken. Auf der anderen Seite des Horizonts, den die Silhouette des Drum Head bildete, war es wahrscheinlich schon hell, doch bevor ihre Strahlen Thunderstown erreichten, musste die Sonne sich erst einmal über den Berg quälen. Im Augenblick schlummerten die Straßen noch in den friedvollen Resten der Nacht. Selbst die weißen Blumen, die aus den Ritzen der gesprungenen Pflastersteine wuchsen, wirkten wie Sterne an einem Firmament aus Stein.
    Eine leichte Brise wehte zum offenen Fenster herein und leckte an den feinen Härchen auf Elsas Unterarm. Sie erschauderte. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden, doch draußen war nichts zu sehen außer Dächern, reglosen Wetterfahnen und den stetig heller werdenden Berghängen. Sie wollte noch ein wenig weiterschlafen, doch das seltsame Unbehagen hatte sie vollends wachgerüttelt und nach ein paar erfolglosen Versuchen gab sie es schließlich auf, machte sich einen Kaffee und setzte sich ans Fenster, um zu beobachten, wie der Tag anbrach.
    Als die Sonne aufging, überflutete ihr gleißendes Licht den Drum Head und wälzte sich dann langsam bergab auf Thunderstown zu. Mauern wurden zu Bernstein, Schornsteine zu Gold. Fensterscheiben erstrahlten im Licht des gespiegelten Sonnenaufgangs.
    Dann, plötzlich, nahm Elsa eine Bewegung unter ihrem Fenster im Hof wahr. Sie sprang von ihrem Stuhl auf, sodass der Kaffee in ihrer Tasse hin und her schwappte.
    Als sie hinunterspähte, sah sie einen wilden Hund mit langem buschigem Schwanz über die Pflastersteine trotten. Er ließ sich auf sein Hinterteil nieder und hob schnüffelnd die silbergraue Schnauze in die Luft. Dann starrte er Elsa direkt in die Augen, sein Blick ausdruckslos und animalisch.
    Mit einem Aufschrei zog sie den Vorhang wieder zu. Eine Weile tigerte sie in ihrem Schlafzimmer auf und ab. Dann schlug sie beide Hände gleichzeitig auf ihre Wangen, schimpfte sich selbst für ihre Albernheit aus und öffnete den Vorhang wieder einen Spalt.
    Der Hund saß immer noch da, die rosa Zunge hing zwischen seinen Reißzähnen hervor und sein Blick war fest auf Elsas Zimmerfenster gerichtet.
    Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie schüttete Cornflakes in eine Schale und hielt sich beim Essen vom Fenster fern. Einmal musste sie den Löffel hinlegen, als plötzlich eine Welle aus Furcht von den Zehen aufwärts durch ihren Körper brandete und sie kurz außer Gefecht setzte, nur um im nächsten Augenblick wieder zu verschwinden.
    Erneut

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