Der Mann, der kein Mörder war
brannten, und er drückte die Finger dagegen. Hielt die Tränen mit aller Kraft zurück. In der Dunkelheit seiner geschlossenen Augen flimmerten Farben und blinkende Lichter. Er wollte tiefer darin versinken, der Wirklichkeit fernbleiben. Sich für immer hinter seinen Augenlidern verschanzen. Jetzt näherten sich Schritte, die vor seinem Tisch stoppten. Er nahm die Hände vom Gesicht und erblickte schemenhaft die Gestalt, die sich ihm genähert hatte.
«Komm», sagte Hanser kurz und wandte sich um.
Haraldsson folgte ihr gehorsam.
Erneut waren sie alle fünf im Konferenzraum versammelt. Billy und Ursula hatten den ganzen Vormittag damit verbracht, den Ermittlungsverlauf nochmals an der Wand zu dokumentieren. Eine lähmende Schwerfälligkeit lag im Raum. Eine Zeitlang hatten sie geglaubt, oder sich wenigstens einreden wollen, dass sie diesen Fall nun gelöst hätten. Nun kam es ihnen vor, als hätten sie gerade einen Langstreckenlauf absolviert und jetzt erfahren, dass sie noch zehn Kilometer weiter laufen mussten. Und sie hatten nicht mehr genug Kraft.
«Ulf Strand ließ sich vor sechs Jahren von Beatrice Strand scheiden, und vor eineinhalb Jahren heirateten sie erneut», sagte Billy, der alles über Beatrices Mann herausgesucht hatte, was er finden konnte.
Vanja seufzte. Sebastian warf ihr einen Blick zu und begriff, dass ihr Seufzer nichts mit Langeweile oder Desinteresse zu tun hatte. Er drückte zwar nicht direkt Sympathie für Ulf Strand aus, aber doch ein gewisses Verständnis für diese aufopfernde Haltung, die offenbar in vielerlei Hinsicht zu einem verkorksten Leben geführt hatte.
«Es liegen zwei Anzeigen gegen ihn vor», fuhr Billy fort. «Wegen Nötigung und Körperverletzung. Beide Anzeigen stammen aus dem Jahr 2004 und sind von einem gewissen Birger Franzén erstattet worden, der damals mit Beatrice Strand zusammen war.»
«War das der Mann, mit dem sie fremdging?» In dem Moment, als sie ihre eigene Stimme hörte, begriff Vanja, dass ihre Frage jeglicher Relevanz entbehrte und sie aus reiner Neugier gefragt hatte. Sie wusste auch, dass sie darauf keine Antwort bekommen würde. Und so war es auch.
«Das weiß ich nicht. Hier steht nur, dass sie zur Zeit der Anzeige eine Partnerschaft führten, aber getrennt lebten.»
«Und was wurde aus den Anzeigen?», fragte Torkel ungeduldig. Er wollte weiter, vorankommen, einen Abschluss finden.
«Aus der ersten wurden Tagessätze, aus der zweiten eine Bewährungsstrafe und ein Verbot, sich dem Wohnsitz zu nähern. Franzéns Wohnsitz wohlgemerkt, nicht dem von Beatrice und Johan», verdeutlichte Billy.
«Also zählt er zu den eher eifersüchtigen Typen.» Sebastian lehnte sich im Stuhl zurück. «Es könnte ihn ja wütend gemacht haben, dass seine Frau mit den Freunden seines Sohnes schläft.»
Torkel sah Billy an.
«Fahr fort.»
«Er hat einen Waffenschein.»
«Irgendwelche Waffen?»
«Registriert ist eine Unique T66 Match.»
«Kaliber .22», sagte Ursula, mehr zur Information denn als Frage. Dennoch nickte Billy zustimmend.
«Gibt es noch mehr?»
«Nein, das war im Prinzip alles. Er arbeitet bei einer Personalagentur als Systemadministrator und fährt einen Renault Mégane 2008.»
Torkel erhob sich.
«Na also, dann fahren wir mal los und reden ein bisschen mit Ulf Strand.»
Vanja, Sebastian und Ursula sprangen ebenfalls von ihren Stühlen auf. Billy blieb sitzen. Wenn die anderen mit Ulf zurückkämen, benötigten sie alle relevanten Materialien, die es gab. Es war sein Job, sich darum zu kümmern. Die vier waren gerade dabei, den Raum zu verlassen, als es an der Tür klopfte und Hanser eine Sekunde darauf ihren Kopf hereinsteckte.
«Habt ihr eine Minute Zeit für mich?» Sie kam herein, ohne eine Antwort abzuwarten.
«Wir wollten eigentlich gerade los.» Torkel konnte die Irritation in seiner Stimme nicht ganz verbergen. Hanser registrierte sie, beschloss jedoch, sie zu überhören.
«Gibt es Neuigkeiten im Fall Roger Eriksson?»
«Wir werden Ulf Strand festnehmen, Beatrices Mann.»
«Wie gut, dass ich rechtzeitig gekommen bin. Ich habe gerade mit dem Kreispolizeidirektor gesprochen …»
Torkel unterbrach sie.
«Ja, der kann wohl zufrieden sein. Ich habe von Axel Johansson gehört, Gratulation.»
Torkel zeigte auf die Tür, eine Geste, die vermitteln sollte, dass sie im Gehen weitersprechen konnten, aber Hanser blieb stehen.
«Danke. Ja, er ist zufrieden, aber er könnte noch zufriedener sein.»
Torkel kannte solche
Weitere Kostenlose Bücher