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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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hatte, hörte er, wie eine Kugel in den Steinplatten hinter ihm einschlug. Er wurde schneller. Jemand tauchte vor ihm in der Türöffnung auf. Vanja, mit gezogener Waffe.
    «Was geht hier vor?»
    Sebastian war sich ziemlich sicher, dass er nun so nahe am Haus war, dass der Winkel es unmöglich machen würde, ihn durch das obere Fenster zu treffen, aber dennoch dachte er nicht daran, stehen zu bleiben, um Vanja auf den neusten Kenntnisstand zu bringen. Er hechtete in den Flur, in Sicherheit. Vanja war blitzschnell bei ihm.
    «Sebastian. Was geht hier vor?»
    Sebastian atmete heftig, sein Herz raste, der Puls pochte in seinen Ohren. Nicht vor Anstrengung, sondern weil er in den letzten fünfzehn Sekunden vermutlich eine Jahresration an Adrenalin verbraucht hatte.
    «Er ist dort oben», japste Sebastian, «mit einem Gewehr.»
    «Wer?»
    «Johan. Er hat Haraldsson getroffen.»
    Plötzlich hörten sie Schritte im Obergeschoss. Vanja drehte sich hastig um und richtete ihre Pistole auf die Treppe. Doch niemand kam. Es war wieder still.
    «Bist du sicher?»
    «Ich habe ihn gesehen.»
    «Warum sollte er auf Haraldsson schießen?»
    Sebastian zuckte mit den Schultern und holte mit zitternden Händen sein Handy aus der Tasche. Er wählte eine Nummer. Besetzt. Sebastian wählte eine neue. Ebenfalls besetzt. Er vermutete, dass Torkel gerade Verstärkung anforderte – bewaffnete Verstärkung.
    Sebastian versuchte seine Gedanken zu ordnen. Was wusste er? Im oberen Stockwerk saß ein Teenager, der soeben auf einen Polizisten geschossen hatte. Ein Junge, der psychisch instabil war oder es zumindest früher gewesen war, wenn man seiner Mutter glaubte. Möglicherweise hatte er im Affekt gehandelt, als er sah, dass sie dabei waren, ihm seinen Vater wegzunehmen. Vielleicht war er aber auch auf irgendeine Weise in den Mord an Roger Eriksson verwickelt und hatte nun das Gefühl, dass seine Welt komplett in sich zusammenstürzte.
    Sebastian ging zur Treppe. Vanja hielt ihn auf, indem sie die Hand auf seine Brust legte.
    «Wo willst du hin?»
    «Nach oben. Ich muss mit ihm reden.»
    «Nein, musst du nicht. Wir warten auf die Verstärkung.»
    Sebastian holte tief Luft.
    «Er ist sechzehn Jahre alt. Er fürchtet sich. Er ist in seinem Zimmer gefangen. Wenn er eine ganze Spezialeinheit sieht und spürt, dass es keinen Ausweg mehr gibt, wird er das Gewehr gegen sich selbst richten.»
    Sebastian sah Vanja ernst an.
    «Das will ich nicht verantworten. Du etwa?»
    Vanja begegnete seinem Blick. Sie standen schweigend da. Sebastian konnte sehen, wie Vanja die Argumente gegeneinander abwägte.
    Plus und minus, Vernunft und Gefühl.
    Sebastian überlegte, wie er sie überzeugen konnte, falls sie ihn nicht die Treppen hinaufgehen ließ. Es würde schwer werden, aber er war gezwungen, irgendetwas zu tun. Er war davon überzeugt, dass Johan bald sterben würde, wenn nicht schnell jemand Kontakt zu ihm aufnahm. Und das durfte einfach nicht passieren. Zu seiner großen Erleichterung nickte Vanja und trat zur Seite. Sebastian ging an ihr vorbei.
    «Ruf Torkel an und sag ihm, dass ich zu dem Jungen hochgehe und dass sie abwarten sollen.»
    Vanja nickte. Sebastian atmete ein letztes Mal tief ein, griff nach dem Treppengeländer und setzte seinen Fuß auf die erste Treppenstufe.
    «Viel Glück.» Vanja berührte sanft seinen Arm.
    «Danke.»
    Sebastian begann langsam die Treppe hinaufzusteigen.
    Sie endete in einem kleinen Korridor, von dem aus man links in das zweite Stockwerk kam. Es gab vier Türen, zwei auf der rechten Seite, eine auf der linken und eine geradeaus am Ende des Flurs. An den weißgestrichenen Wänden hingen ohne sichtbare Ordnung gerahmte Plakate, Fotos und Kinderzeichnungen. Auf dem Fußboden lag ein staubiger roter Teppich, der einige Zentimeter schmaler war als der Flur. Sebastian betrachtete die verschlossenen Türen und überlegte. Die Haustür lag auf derselben Seite wie das Fenster von Johans Zimmer. Wenn er die Position der Treppe mit einbezog, hieß das, dass die verschlossene Tür am Ende des kurzen Flurs zu Johans Zimmer führte. Sebastian ging mit vorsichtigen Schritten dorthin.
    «Johan …?»
    Schweigen. Sebastian drückte sich an die rechte Wand, ihm war etwas mulmig dabei, direkt vor der Tür zu stehen. Er hatte keine Ahnung, ob sich die Kugel einer Unique T66 Match durch eine Innentür bohren konnte, aber auch keine Lust, es herauszufinden.
    «Johan, ich bin es, Sebastian. Erinnerst du dich an mich?»
    «Hauen Sie ab»,

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