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Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
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Weg dorthin bemerkte die Frau, dass sie nicht allein auf dem Grundstück waren. Sie sah zu Sebastian hinüber, zog einen Dienstausweis aus der Tasche und klappte ihn auf. Aus dieser Entfernung hätte sie ihm genauso gut einen Bibliotheksausweis hinhalten können. Sebastian hatte keine Chance zu erkennen, was darauf stand.
    «Vanja Lithner, Reichskriminalpolizei. Wir haben die Lage unter Kontrolle. Sie können wieder hineingehen.»
    «Ich war aber gar nicht im Haus. Darf ich trotzdem draußen bleiben?»
    Doch die Frau hatte offenbar bereits mit ihm abgeschlossen. Sie stopfte ihren Dienstausweis zurück in die Tasche und packte erneut den Arm des Rothaarigen. Er sah aus wie einer jener Jungen, die das Leben schon früh auf die schiefe Bahn schickte. Es war mit Sicherheit weder das erste noch das letzte Mal, dass man ihn zu einem wartenden Polizeiwagen brachte. Auf dem Fußweg kam eine weitere Frau angelaufen. Sie hielt inne, schlug die Hände vor den Mund und unterdrückte einen Schrei, als sie sah, was auf Sebastians Grundstück vor sich ging. Sebastian betrachtete sie. Die Mutter, ganz eindeutig. Sehr rotes, leichtgelocktes Haar. Ungefähr fünfundvierzig. Nicht besonders groß, vielleicht eins fünfundsechzig. Ziemlich durchtrainiert, vermutlich Fitness. Anscheinend war sie die Nachbarin von der anderen Seite der Hecke. Als er als Kind hier gelebt hatte, wohnte nebenan ein deutsches Paar mit zwei Schnauzern. Schon damals alt. Sicherlich inzwischen verstorben.
    «Leonard, was hast du getan? Was machen Sie denn da? Was hat er getan?» Es schien der Frau völlig egal zu sein, dass ihr niemand antwortete. Die Fragen sprudelten nur so aus ihr heraus. Schnell und gepresst, mit einer Stimme, die immer höher wurde. Wie das Sicherheitsventil bei einem Dampfkochtopf. Wenn sie den Mund gehalten hätte, wäre sie vor lauter Druck wohl explodiert. Die Frau lief weiter über den Rasen. «Was hat er getan? Bitte, sagen Sie es mir! Leonard! Warum handelst du dir ständig Ärger ein? Was hat er getan? Wo bringen Sie ihn hin?»
    Die Polizistin ließ den Arm des Jungen los und ging einige Schritte auf die aufgelöste Mutter zu. Der Mann führte den Jungen weiter.
    «Wir wollen mit ihm sprechen. Sein Name tauchte im Rahmen unserer Ermittlungen auf», sagte sie, und Sebastian bemerkte, wie sie zur Beruhigung ihre Hand auf den Oberarm der Mutter legte. Körperkontakt. Das war gut. Professionell.
    «Was heißt denn auftauchen? In welchem Zusammenhang?»
    «Er wird jetzt gemeinsam mit uns ins Präsidium fahren. Wenn Sie später vorbeikommen, können wir die ganze Angelegenheit in Ruhe besprechen.» Vanja hielt kurz inne und achtete darauf, der Frau in die Augen zu blicken, während sie fortfuhr. «Frau Lundin, momentan wissen wir auch noch nichts. Bitte machen Sie sich keine unnötigen Sorgen. Kommen Sie später vorbei, fragen Sie nach mir oder Billy Rosén. Ich heiße Vanja Lithner.» Natürlich hatte Vanja sich vorgestellt, als sie bei Lundins geklingelt hatte, aber es garantierte nicht, dass Clara Lundin sich daran erinnerte oder den Namen überhaupt richtig verstanden hatte. Deshalb zog Vanja sicherheitshalber eine Visitenkarte hervor und gab sie ihr. Clara nahm sie und nickte, sie war zu schockiert, um zu protestieren. Vanja drehte sich um und verließ das Grundstück. Clara sah hinter ihr her, wie sie bei den Johannisbeerbüschen um die Ecke verschwand. Eine Weile stand sie einfach nur da, völlig ratlos. Dann richtete sie sich an den Erstbesten, und das war unglücklicherweise Sebastian.
    «Dürfen die das denn einfach so machen? Ihn mitnehmen, ohne mich? Er ist doch gar nicht volljährig.»
    «Wie alt ist er?»
    «Sechzehn.»
    «Dann dürfen sie.»
    Sebastian schlenderte wieder in Richtung Holzterrasse, Vormittagssonne und Kulturteil. Clara blieb stehen und blickte in die Richtung, in die Vanja verschwunden war, als erwarte sie, dass alle drei gleich lachend um die Ecke springen und erklären würden, dass es lediglich ein Scherz gewesen sei. Ein gut geplanter Streich. Clara wandte sich Sebastian zu, der es sich gerade wieder in seinem weißen Rattansessel bequem gemacht hatte.
    «Können Sie denn nicht irgendwas tun?», flehte sie ihn an. Sebastian warf ihr einen fragenden Blick zu.
    «Ich? Was sollte ich denn tun können?»
    «Sind Sie nicht Bergmans Sohn? Sebastian? Sie arbeiten doch in so einem Bereich.»
    «Arbeitete. Imperfekt. Ich bin da nicht mehr. Und als ich noch dort arbeitete, war ich nie für die Rechtmäßigkeit von

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