Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann, der kein Mörder war

Der Mann, der kein Mörder war

Titel: Der Mann, der kein Mörder war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Rosenfeldt
Vom Netzwerk:
hinzulegen. Was sollte er tun? Obwohl er es eigentlich nicht wollte und darauf hoffte, dass sich sein Problem auf andere Weise löste, würde er wohl früher oder später gezwungen sein, die Schränke und Schubladen in Angriff zu nehmen. Allein vom Warten würden sie sich jedenfalls nicht leeren.
    Er ging in die Garage und fand einige zusammengefaltete Umzugskartons, die neben dem alten Opel an der Wand lehnten. Mit dreien von ihnen in der Hand blieb er im Flur stehen. Wo sollte er bloß anfangen? Er wählte das alte Gäste- und Arbeitszimmer. Den Schreibtisch und die alten Bürogeräte ignorierte er, faltete einen Pappkarton auseinander und begann, die Bücher aus der Regalwand hineinzuschaufeln. Es war ein Durcheinander aus Belletristik, Sachbüchern, Nachschlagewerken und Lehrbüchern. Alles kam in den Karton. Mit Büchern war es wohl wie mit dem Opel in der Garage: Der Wiederverkaufswert tendierte gegen null. Als er einen der Kartons gefüllt hatte, versuchte er ihn zu schließen. Er schaffte es nicht, aber damit sollte sich irgendein Umzugshelfer abplagen, dachte Sebastian und schleppte die Kiste mit Mühe und Not bis zur Tür. Dann faltete er einen neuen Karton auseinander und setzte die Aufräumaktion fort. Als es 5 Uhr morgens war, hatte er weitere vier Kartons aus der Garage geholt und fast das ganze Bücherregal geleert. Nur zwei Regalbretter ganz rechts waren noch übrig. Hier standen Fotoalben, die ordentlich mit Datum und Inhalt gekennzeichnet waren. Sebastian zögerte. Es war immerhin das sogenannte Leben seiner Eltern, das auf diesen Regalbrettern stand. Sollte er es einfach in einen Pappkarton werfen und zur Müllhalde transportieren lassen? Durfte er sich das erlauben? Er vertagte die Entscheidung, aus dem Regal mussten sie ja so oder so. Wo sie anschließend landeten, würde er später überlegen.
    Sebastian hatte beim obersten Regalbrett begonnen und war bis «Winter/Frühjahr 1992 – Innsbruck» gelangt, was ungefähr die Hälfte darstellte, als seine Hand auf etwas stieß, das hinter den dicken Fotoalben versteckt lag. Eine Schachtel. Er tastete danach, bekam sie zu fassen und nahm sie aus dem Regal. Es war ein Schuhkarton, ein kleineres Modell, hellblau mit einer Sonne auf dem Deckel. Vermutlich für Kinderschuhe. Aber ein Bücherregal war ein merkwürdiger Ort, um Schuhe zu verwahren. Sebastian setzte sich aufs Bett und hob neugierig den Deckel. Die Schachtel war kaum zur Hälfte gefüllt. Darin lagen ein Sexspielzeug aus den Kindertagen des Sexspielzeugs, sorgfältig in seinem Karton verschlossen, darauf Bleistiftzeichnungen, die aussahen wie aus dem Kamasutra. Daneben fand er einen Schlüssel für ein Bankschließfach und einige Briefe. Sebastian nahm die Umschläge heraus. Es waren insgesamt drei. Zwei davon an seine Mutter adressiert. Eine weibliche Handschrift. Der dritte war von seiner Mutter an eine Anna Eriksson in Hägersten geschickt worden und an sie zurückgekommen. Unbekannt verzogen, stand auf dem Umschlag. Dem Poststempel nach zu urteilen war der Brief mehr als dreißig Jahre alt. Aus Hägersten und Västerås. Die Schachtel schien Geheimnisse zu enthalten, die seine Mutter vor dem Rest der Welt verborgen hatte. Offenbar wichtig genug, um sie aufzuheben, wenn auch heimlich. Was hatte sie getan? Von wem stammten die beiden anderen Briefe? Von einer Geliebten? Ein kleines, kurzes amouröses Abenteuer fernab des Hauses und des Vaters? Sebastian öffnete den ersten Brief.
     
    Hallo,
     
    ich weiß nicht, ob ich diesen Brief an die richtige Person adressiere. Mein Name ist Anna Eriksson. Ich muss mit Ihrem Sohn Sebastian Bergman sprechen. Er war Dozent für Psychologie an der Universität Stockholm, wo ich ihn auch kennengelernt habe. Ich habe versucht, über die Universität mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber dort unterrichtet er nicht mehr, und man konnte mir seine neue Adresse nicht nennen. Die Kollegen von ihm, mit denen ich gesprochen habe, sagten mir, er lebe jetzt in den USA , aber niemand wusste, wo genau. Schließlich erzählte mir jemand, dass er aus Västerås komme und seine Mutter Esther heiße. Ich habe Sie im Telefonbuch gefunden und hoffe, dass ich an die richtige Person schreibe und dass Sie mir helfen können, mit Sebastian in Kontakt zu treten. Wenn Sie nicht Sebastians Mutter sind, bitte ich zu entschuldigen, dass ich Ihnen Umstände bereitet habe. Aber egal ob Sie es sind oder nicht – antworten Sie mir doch bitte, ich muss Sebastian wirklich dringend

Weitere Kostenlose Bücher