Der Mann, der nicht geboren wurde
häufte, bis von der Nadel wirklich nichts mehr zu sehen
war.
Als Nächstes ging Rodraeg auf den Gartenhof hinaus und blickte sich
dort um, bis er den Gardisten entdeckt hatte, der nebenan im Garten der Familie
Stahlert auf einem Baumhausbrett, das vor vielen Jahren für inzwischen
erwachsene Kinder befestigt worden war, in der Krone eines Apfelbaumes saÃ.
Rodraeg ging bis an die einen Schritt hohe Backsteinmauer, die beide
Grundstücke voneinander trennte, heran, und sprach den Gardisten unverblümt an.
»Entschuldigt bitte. Darf ich Euch eine kurze Frage stellen? Ihr könnt ja
dennoch weiterhin überblicken, ob einer von uns nach hinten raus davonschleicht
oder nicht.«
»Nur zu.« Der Gardist war kaum älter als Cajin und machte ein
freundliches Gesicht. Möglicherweise war er froh, dass seine eintönige Schicht
ein wenig aufgelockert wurde.
»Wir hatten vor einigen Sandstrichen ungebetenen Besuch in unserem
Haus, während das Schmetterlingsmädchen hier drauÃen war. Der Besuch ist vorne
rein und vorne auch wieder raus, aber ich werde den Verdacht nicht los, dass er
gewusst haben muss, dass das Schmetterlingsmädchen drauÃen in den Beeten ist.
Habt Ihr jemanden bemerkt, der auÃer Euch noch unser Haus beobachtet hat?«
»Nein. Aber ausschlieÃen kann man so was nicht. Am Haus der
Andelpfands vorbei kann man ja sogar von der dahinterliegenden Gasse aus Euren
Hof einsehen.«
»Das stimmt wohl.«
»Dann wäre derjenige in meinem Rücken. Ich schaue die ganze Zeit nur
nach vorne, in Eure Richtung.«
»Ihr habt recht. Ich hoffe, dass Ihr Euch diese lästige Arbeit bald
ersparen könnt.«
»Ach, es gibt Schlimmeres. Immerhin ist die Luft hier frisch.
Kerkerdienst ist viel scheuÃlicher.«
Nach einem grüÃenden Winken ging Rodraeg wieder zurück ins Haus.
»Ein netter Gardist sitzt dort drüben im Baum. Kann er eigentlich in
dein Zimmer reinspähen, Naenn?«
»Nicht, wenn ich die Vorhänge vorgezogen habe, und das habe ich,
seit deine netten Gardisten dort oben hocken wie die Aasgeier und sich mit
Gaffen abwechseln.«
Zum Nachdenken zog sich Rodraeg in seine lichtlose Kammer zurück und
legte sich auf das Bett, auf dem vor Kurzem noch ein Mordinstrument gelegen
hatte.
Mussten sie die Nadel der Garde bringen? Konnte jemand wie Dilljen
Kohn ihr vielleicht Spuren entlocken, Hinweise auf die Identität des Mörders?
Aber war es dazu nicht schon zu spät? Machten sie sich nicht verdächtig, weil
sie die Nadel nicht sofort abgeliefert hatten?
Andererseits: Wenn sie die Nadel der Garde brachten, warf sie das
genauso in den Brennpunkt aller Ermittlungen, wie wenn die Garde die Nadel bei
einer Hausdurchsuchung entdecken würde. Wie glaubhaft war es denn, dass ein
Mörder dem Mammut eine Mordwaffe übergab â wenn nicht
der Mörder mit dem Mammut unter einer Decke steckte?
Oder zumindest in irgendeiner rätselhaften Verbindung stand? So würden sie die
Ãberwachung und vor allem die durch Kohn angedrohte Beugehaft niemals abwenden
können. Erst recht nicht, wenn der Mörder doch nicht gefasst wurde und erst
zwölf Jahre später wieder in Erscheinung trat.
Wurden bei den Mordserien in Uderun und im Dreieck
Fairai-Aldava-Somnicke auch schwarze Nadeln verwendet, oder war dies eine
Eigentümlichkeit Warchaims und der Gegenwart? Vetz Brendo könnte das wissen.
Aber Vetz Brendo würde ungehalten über das Mammut sein,
weil ihm wegen des Mammuts nun die Garde auf die
Zehen trat. Am 12. hatte der Landspurenführer versprochen, sich
innerhalb einer Woche mit seiner Liste zurückzumelden. Bislang war noch nichts
dergleichen geschehen.
Die Nadel im Haus zu behalten grenzte an Verwegenheit. Die Nadel in
den Beeten zu verbuddeln wie den Bericht zur Riesenmission ging nicht mehr,
aufgrund der Gardisten im Apfelbaum. Was konnte man sonst mit der Nadel tun?
Sie nach drauÃen nehmen und in den Larnus oder einen Brunnen oder einen
Misthaufen oder einen heugefüllten Stall werfen. Aber wenn man dabei beobachtet wurde! Was sonst bezweckte DMDNGW mit der Ãberbringung der Nadel, wenn nicht, das Mammut vor den Augen der Stadtgarde in die
kompromittierende Situation zu bringen, Beweismittel zu beseitigen?
Rodraeg grübelte und grübelte. Die Geräusche, die Naenn, Estéron und
Cajin im Haus machten, wurden zu Echos, die ihn kaum noch zu erreichen
vermochten.
Was wollte
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