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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Ainsworth Lessing.
    Der Weg dieses Mannes war mit Leichen gepflastert.

    Microbrain biss gerade in einen Energieriegel, als es an der Tür hämmerte. Wollte der Deutsche sie etwa einschlagen? Die Laborratte nahm sich neuerdings immer mehr heraus.
    Wahrscheinlich war ihr das Rootbeer ausgegangen. Übellaunig tippte der NSA-Agent die vierstellige Nummernkombination ein. Das Schloss wurde elektrisch entriegelt. Er öffnete die Tür und sah einen grünhäutigen Mann vor sich.
    »Mir ist kotzübel«, würgte Labin.
    Der Agent betrat rasch das Labor und schloss vorschriftsmäßig hinter sich die Tür. Er traute der Laborratte nicht. Das Biest war gerissen. »Was ist los mit Ihnen?«
    »Weiß nicht. Ich glaube, ich muss ins Krankenhaus…«
    Microbrain grinste. Offenbar war der Salzstangennager weniger gerissen als befürchtet. »Sie haben zu viele Ausbrecherfilme gesehen. Der Trick mit der Krankenstation funktioniert bei mir nicht.«
    »Sie Schwachkopf, mir ist wirklich schlecht.«
    »Wohl zu viel Rootbeer getrunken, was?«
    »Weiß nicht. Kann sein.«
    Microbrain lachte. Das geschah dem deutschen Klugscheißer recht…
    Unvermittelt traf ihn ein Schwall Erbrochenes.
    »Verdammt! Das gibt’s doch nicht«, schrie Microbrain angeekelt auf. Das stinkende Zeug war überall. Die Ratte hatte ihn von oben bis unten besudelt. Und jetzt machte sie alles nur noch schlimmer.
    »Oh, entschuldigen Sie, das tut mir aber leid«, sagte Labin und wischte an ihm rum, packte seine Hände, schmierte, anstatt ihn zu säubern, immer mehr von dem grauenhaften Zeugs an ihn dran.

    Microbrain merkte, wie ihm selbst übel wurde. Mit Mühe konnte er den Würgreflex unter Kontrolle halten. »Zurück!«, brüllte er und streckte Labin abwehrend die Handflächen entgegen. »Weg von der Tür.«
    »Aber ich brauche einen Arzt.«
    »Sie haben sich den Magen verdorben, Sie Freak. Ich hole Ihnen den Arzt, aber zuerst versuche ich Ihre Kotze von meinem Dreihundertdollaranzug runterzubekommen. Und jetzt bleiben Sie auf Abstand, sonst schicke ich Sie auf die Bretter.«
    Labin nickte, die eine Hand vor dem Mund, als käme gleich die nächste Fontäne heraus, mit der anderen wedelte er in der Luft herum, damit Microbrain sich endlich trollte.
    Nichts lieber als das, dachte der und tippte hektisch mit seinen schmierigen Fingern die Kombination ein. Der Summer ertönte. »Verdammt!«, fluchte er. »Jetzt klebt der Scheiß auch noch an der Tastatur.«
    Er widerstand der Versuchung, mit seinem Ärmel drüber und sich damit noch mehr von dem Zeug an den Anzug zu wischen. Und als dann hinter seinem Rücken auch noch ein lautes Würgen ertönte, riss er nur noch die Tür auf und stürzte fluchtartig aus dem Raum.

    Tim war wirklich schlecht. Es hatte ihn viel Überwindung gekostet, seinen Körper derart zu traktieren. Das Rootbeer – es war ihm tatsächlich zuwider – bildete nur einen Bestandteil des emetischen Cocktails, sozusagen die Grundlage. Obendrauf hatte er einen lauwarmen Soletrunk gekippt. Das dazu erforderliche Salz stammte von den Streuern, die er seit Freitag bei jeder Mahlzeit angefordert und entleert sowie den Salzstangen, die er – als wäre es eine seiner vielen Macken – entkornt hatte. Diese Ausbeute, gelöst in halb abgekühltem Teewasser aus der Thermoskanne, ergab ein wunderbares Brechmittel. Glücklicherweise hatte er einmal ein Buch über die guten, alten Hausmittel memoriert.
    Zeit flieht!, ermahnte er sich. Microbrain würde auf der Toilette nicht ewig an seinem Anzug herumreiben.
    Wie ein Verwandlungskünstler riss sich Tim flugs das bekleckerte Hemd vom Leib, schlüpfte in einen schwarzen Pullover und hängte sich den Mantel über – alles in ungefähr dreißig Sekunden. Anschließend nahm er das hellblaue Löschpapier aus dem Notizheft, das seit siebzehn Stunden unangetastet auf dem Besprechungstisch seiner wahren Zweckbestimmung harrte. Vorsichtig legte er das saugfähige Blatt auf die mit Erbrochenem befleckte Zehnertastatur und drückte gerade so weit dagegen, dass keine Impulse ausgelöst wurden. »Das Kombinationsschloss reagiert«, wie ihm Knight grinsend erklärt hatte, »auf Fehleingaben mit Verzögerungen.
    Beim ersten Patzer wartet man fünfzehn Sekunden, beim nächsten dreißig und so weiter. Macht also keinen Sinn, alle zehntausend Eingabemöglichkeiten durchzuprobieren. Es sei denn, Sie haben zehntausend Jahre Zeit.« Tim hatte nicht widersprochen, obwohl die Zeitschätzung des Mikrogehirns um ein paar Urknalle zu

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